Stadtmuseum Münster
Salzstraße 28
D-48143 Münster
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museum
@stadt-muenster.de
Öffnungszeiten:
dienstags - freitags
10-18 Uhr,
samstags, sonn- und feiertags 11-18 Uhr,
montags geschlossen,
besondere Öffnungszeiten im Zwinger
Sonderöffnungszeiten an den Feiertagen werden unter Aktuell bekannt gegeben.
Rollstuhlgerechte Einrichtung
Der Eintritt ist frei.
Menschen, die „zaubern“ können, die das Unmögliche möglich machen, übten schon immer eine besondere Anziehungskraft auf ihre Mitmenschen aus. Bereits in der Antike und im Mittelalter wurden „zauberhafte“ Kunststücke vorgeführt, die sich nicht erklären ließen. Die Tricks hatten dabei vielfach kriminelle Ursprünge: Falschspieler, Taschendiebe und fingerfertige Gaukler erfreuten Besucher von Jahrmärkten oder Messen unter freiem Himmel oder in kleinen Buden. Derartiger „Budenzauber“ wurde im 18. und 19. Jahrhundert auch auf dem Send in Münster präsentiert, wie verschiedene Zeitungsanzeigen belegen.
Die „hohe“ Zauberkunst, die durch Tricks unterhaltsame Illusionen entstehen lässt und vor allem von der Inszenierung sowie der „Magie“ und der Aura des jeweiligen Zauberkünstlers lebt, wurde im erst späten 18. Jahrhundert entwickelt. Stilvoll gekleidete Bühnenmagier wie Jean Eugène Robert-Houdin (1805–1871), John Henry Anderson (1814–1874) und Alexander Heimbürger aus Münster etablierten die Zauberei neben den klassischen Künsten auf den Theaterbühnen und in den Salons der feinen Gesellschaft. Auch im münsterischen Theater traten im frühen 19. Jahrhundert damals bekannte Zauberkünstler auf. Der junge Alexander Heimbürger verfolgte dort gebannt Vorführungen von Ludwig Döbler (1801–1864) aus Wien. 1847 begeisterte der bekannte Wiljalba Frikell (1819–1903) das Publikum. Ende des 19. Jahrhunderts konnten dann alle Bürger Münsters auf dem Send diverse Zauberapparate erwerben und daheim eigene „Vorführungen“ geben.
Johann Friedrich Alexander Heimbürger wurde am 4. Dezember 1819 als Sohn eines Regierungsboten in Münster geboren. Der junge „Fritz“ zeigte schon früh Interesse an Mechanik und physikalischen Experimenten. Der Auftritt des Wiener Zauberkünstlers Ludwig Döbler im münsterischen Theater beeindruckte den 16-Jährigen so sehr, dass er beschloss das „Zauberhandwerk“ zu erlernen. Er erwarb Literatur über Zauberei, experimentierte viel und erlernte Kartenkunststücke. Zunächst begann er aber eine Lehre in einem Lithographischen Institut, wurde 1835 Volontär eines Landrates und später Sekretär eines Rechtsanwaltes. 1839 lernte er den Budenzauberer Friedrich Becker kennen und bewarb sich bei ihm als Assistent. Heimbürger gab seine Stelle auf und reiste dem „Professor der Magie“ beinahe mittellos nach Leipzig, Rostock und Kopenhagen nach. Schon im Sommer 1840 schloss er sich dem polnischen Schausteller Kalewsky, wenig später einer russische Artistenfamilie an. Bei seinem Debütauftritt in Hannover nahm er sicherheitshalber den Künstlernamen „Herr Alexander“ an. In Hamburg feierte er 1840 erst mäßige, dann grandiose Erfolge und machte sich, nun finanziell abgesichert, selbständig. Den Verdienst investierte er meist in neue Apparate und Ausstattungsgegenstände. Auch sein Programm erweiterte er ständig. Spektakulär war der Fang einer Gewehrkugel oder das Entzünden von 200 Kerzen durch einen Pistolenschuss. Es folgte eine Tournee durch Schleswig-Holstein, Mecklenburg und Brandenburg. Durch Werbung, Zeitungsartikel und kuriose Vorführungen in der Öffentlichkeit bekam er regen Zulauf und füllte große Säle und Theater. Im Dezember 1842 kehrte er, mit zwei Dienern und einem bekannten Namen, nach Münster zurück. Hier trat mehrfach – wie zuvor seine Vorbilder – im Stadttheater auf.
Am 20. November 1843 reiste „Herr Alexander“, erst 24 Jahre alt, in Begleitung seines 14-jährigen Bruders August von Bremerhaven nach Nordamerika, um „reich und berühmt zu werden“. Die ersten Auftritte in Niblo´s Garden in New York waren von Misserfolgen geprägt. Bis er Englisch gelernt hatte, benötigte er einen Dolmetscher, zeitweise trat er sogar als Chinese auf. Nach drei Monaten stellten sich finanziell lohnende und umjubelte Auftritte ein. Allein in New York gab er über 60 Vorstellungen. Es folgte eine Tournee durch die gesamten Vereinigten Staaten und Kanada. In Washington „verzauberte“ er im Weißen Haus den elften Präsident der USA, James Polk (1795–1849). Dessen Empfehlungsschreiben ermöglichte es ihm, Ende 1847 auf einem Kriegsschiff nach Havanna auf Kuba zu gelangen. Er lernte Spanisch und Portugiesisch und reiste weiter nach Mexiko, Guatemala, Panama, Argentinien, Chile und 1852 nach Brasilien, wo er mehrfach vor dem Kaiser auftrat. Er experimentierte mit Elektrizität, perfektionierte seine Auftritte und erfand immer spektakulärere Programmpunkte: „Das Wunder von Hindustan oder Das in der Luft schwebende Kind“ war weltweit die erste „Schwebe“- (Levitations-) Nummer. Auch die „Hervorbringung eines wunderschönen kleinen Mädchens aus einem Ei“, das „Erscheinen von Wasserschalen und Blumen aus dem Nichts“ oder „Die Geisterglocke“ führten dazu, dass sein Name auf dem amerikanischen Kontinent bekannt wurde und er enorme Einnahmen verzeichnete. Herman Melville erwähnte „Herrn Alexander“ sogar 1851 in seinem Roman „Moby Dick“. Allerdings erkrankte Heimbürger aufgrund des extremen Klimas und der hygienischen Zustände oft, u.a. am Gelbfieber. Daher verließ er, zehn Jahre nach seiner Ankunft, endlich „reich und berühmt“ Amerika und kehrte als „Alexander the conjurer“ (Alexander der Zauberer) am 25. September 1853 von seiner abenteuerlichen Reise nach Münster zurück.
Im Alter von nur 35 Jahren legte „Herr Alexander“ in Münster den Zauberstab aus den Händen. Er hatte in Amerika so viel Geld verdient, das er später nur noch gelegentlich bei Wohltätigkeitsveranstaltungen auftrat. Am Krummen Timpen erwarb er ein Haus, heiratete 1857 Anna Schalle und nach deren Tod 1861 Elisabeth Vogelsang. Mit beiden Frauen hatte er zusammen zehn Kinder. Er war Mitglied im Zivilclub, organisierte Feste und Aufführungen und nahm am gesellschaftlichen Leben Münsters teil. Seine Gesundheit war jedoch aufgrund der zahlreichen Infektionen angeschlagen. 1878 erfand er „H. Bürgers Digestiv-Salz“, das bis in die 1950er Jahre unter verschiedenen Namen als Wund- und Abführmittel vertrieben wurde.
Als am 16. April 1877 der Kaiser von Brasilien, Dom Pedro II. de Alcantara (1825–1891), mit dem Zug in Münster Station machte, unterhielten sich beide über ihre gemeinsame Zeit in Rio de Janeiro im Jahre 1852. Alexander Heimbürger führte während seiner Reisen Tagebücher. Über sein Leben in Münster und seine Tourneen in Norddeutschland verfasste er 1882 eine Autobiographie, der eigentlich ein zweiter Teil über seine Zeit in Amerika folgen sollte. Im hohen Alter schrieb er um 1900 ein Lehrbuch für junge Zauberer. Im Jahre 1903 besuchte der bekannte Entfesselungskünstler Harry Houdini (1874–1926) Heimbürger in Münster, und berichtete darüber in einen Artikel in einer amerikanischen Magier-Zeitschrift. Die letzten 20 Jahre seines Lebens ging „Herr Alexander“ kaum noch aus dem Haus. Im Alter von 89 Jahren verstarb er am 25. Juli 1909.