13.10.2014

Kulturfallen auf dem Weg zur richtigen Diagnose

Für Migranten ist das Risiko einer psychischen Erkrankung besonders hoch / Stadt lud zur Information und Diskussion ein

Münster (SMS) Macht Migration krank? Wie steht es speziell um die Versorgung von psychisch kranken Menschen mit Migrationsvorgeschichte? Darüber informierten sich und diskutierten rund 100 Fachleute auf gemeinsame Einladung des Integrationsrates, des Gesundheitsamtes und des Sozialamtes der Stadt in den Räumen der Volkshochschule.

In Münster leben 64 000 Menschen mit Migrationsvorgeschichte, monatlich kommen 50 bis 60 Flüchtlinge dazu. "Wer seine Heimat verlässt, begibt sich auf unbekanntes Terrain. Manche tun dies, um ihr Glück zu finden, manche, um ihr Leben zu retten", lenkte Stadtrat Thomas Paal den Blick auf Belastungen, die mit Migration einhergehen können: Verlust von Heimat, teilweise nach massiver Gewalterfahrung, Zurechtfinden in neuer Kultur, Sprachprobleme, Ablehnung und Ausgrenzung.


Die Wahrscheinlichkeit, psychische Störungen zu entwickeln, ist bei Menschen mit Migrationsvorgeschichte um ein Vielfaches höher als bei Einheimischen. Doch wie damit umgehen? Dr. Solmaz Golsabahi-Broclawski (Hellweg-Klinik Bielefeld), die Vorsitzende des Dachverbandes für transkulturelle Psychiatrie, lenkte den Blick auf Kulturfallen bei der Diagnose und Therapie. Beispiel: Wer den Blickkontakt vermeidet, zeigt damit im asiatischen Raum Respekt und Höflichkeit, in Europa wird das dagegen als Hinweis auf eine ängstliche Persönlichkeit verstanden. Auch die sprachliche Barriere ist schwierig, selbst Dolmetscher scheitern hier: "Worte und Redewendungen sind nicht immer so übersetzbar, das jeder dasselbe versteht", so die Referentin.

Der Internist und ehemalige Integrationsrat-Vorsitzende Spyros Marinos betonte in seinem Beitrag die elementare Bedeutung der medizinischen Versorgung für alle Menschen, unabhängig von Herkunft und Versicherungsstatus. Holger Stöhr, Geschäftsführer des Psychosozialen Zentrums, wies auf das umfassende sozialpsychiatrische Versorgungsnetz in Münster hin; allerdings existierten bislang keine speziellen Angebote für Migranten mit seelischen Erkrankungen. Anneke Graunke und Mechthild Imhorst erläuterten den Prozess der "interkulturellen Öffnung", mit dem der Sozialpsychiatrische Dienst des städtischen Gesundheitsamtes Migranten besser gerecht werden will.

Die Thematik "Migration und seelische Gesundheit" treibt viele in Münster um, stellten die Moderatorinnen Michaela Robert (Sozialamt) und Mechthild Imhorst (Gesundheitsamt) fest und bekamen das sogar in einer interkulturellen Collage bestätigt: "Bin ich da und wenn, wo bin ich?" fragte das Junge Theater Cactus. Das ist auch in der Politik angekommen. Der Rat bestätigte in seiner jüngsten Sitzung die Anschub- und Mitfinanzierung eines Psychosozialen Zentrums für Flüchtlinge in gemeinsamer Trägerschaft von GGUA und Arbeiterwohlfahrt.


Fotos (2 Motive):

Dr. Solmaz Golsabahi-Broclawski war Hauptreferentin der Tagung.


"Migration und seelische Gesundheit" treibt viele um, das zeigte die Resonanz der Tagungsteilnehmer. - Fotos: Presseamt Stadt Münster. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei.

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Dr. Solmaz Golsabahi-Broclawski

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Tagung Migration und seelische Gesundheit

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