Friedensjubiläen: Nicht immer ein Grund zur Freude

11.11.1997

Erster Band der Stadtarchiv-Reihe „Kleine Schriften“: Prof. Dr. Heinz Duchardt beschreibt gewandeltes Bild der Bürgerschaft vom Vertragswerk 1648

(SMS) Über 400 Veranstaltungen allein in Münster zeugen von einem regen Interesse der Bürgerinnen und Bürger am „Jubiläum 350 Jahre Westfälischer Friede“ im kommenden Jahr. Daß der bedeutende Friedensschluß aber durchaus nicht immer im Bewußtsein der Bevölkerung verankert war und positiv bewertet wurde, zeigt eine Studie des Mainzer Historikers Prof. Dr. Heinz Duchhardt, die jetzt als erster Band der neuen Reihe „Kleine Schriften aus dem Stadtarchiv Münster“ erschienen ist. Unter dem Titel „Das Feiern des Friedens. Der Westfälische Friede im kollektiven Gedächtnis der Stadt Münster“ beschreibt Duchhardt, wie sich das Bild der Münsteraner vom Friedensschluß im Laufe der Jahrhunderte gewandelt hat.
Da die Bewertung historischer Ereignisse gerade an ihren Jubiläen besonders deutlich zu erkennen ist, widmet sich Duchhardt den „runden“ Geburtstagen der Vertragsunterzeichnung. Einsetzend mit dem 24. Oktober 1648 untersucht er, wie der Friede in der Folgezeit eingeschätzt wurde - ob die Bevölkerung und die kommunalen Funktionsträger ihn als ein positives, erinnerungswürdiges Ereignis der städtischen Geschichte und Identität betrachtet haben oder ob sie ihn dem Vergessen überließen.
Obwohl während des Austausches der Ratifikationsurkunden am 21. Februar 1649 noch ein großes städtisches Fest mit Prozessionen, Salutschießen und Feuerwerk stattfand, sind die Erinnerungen an das glanzvollste Ereignis der Stadtgeschichte im Laufe der Zeit verblaßt. Für den 50. Jahrestag sind keine besonderen Feierlichkeiten überliefert, was Duchhardt damit erklärt, daß Münster als katholische Stadt in den konfessionellen Regelungen des Vertrages eine Niederlage der katholischen Seite sah.
Auch die Jubiläen der Jahre 1748 und 1798 boten in Münster keinen Anlaß zur Feier. Für die Zeit des Ancien Régime bleibt aber gleichwohl festzuhalten, daß der Westfälische Friede insgesamt positiv bewertet wurde. Schillers Einschätzung des Vertragswerkes als „das interessanteste und charaktervollste Werk der menschlichen Weisheit und Leidenschaft“ mag hier stellvertretend stehen.
Dies änderte sich grundlegend im 19. Jahrhundert. Die Verträge von Münster und Osnabrück wurden durch die Erfahrungen mit der französischen Fremdherrschaft und durch das alles überragende Ziel der Errichtung eines deutschen Nationalstaates als „Totenschein des Reiches“ abqualifiziert. Angesichts dieser Einschätzung und vor dem Hintergrund der Märzrevolution überrascht es nicht, daß auch 1848 keine Jubiläumsfeierlichkeiten in Münster stattfanden.
Bis 1898 hatte sich an der negativen Bewertung des Westfälischen Friedens nichts geändert. Daß es trotzdem erstmals seit 1648 wieder längerfristig vorbereitete Veranstaltungen gab, erklärt sich mit der Reichsgründung von 1871, die den Glauben vermittelte, daß der „Tiefpunkt“ von 1648 endgültig überwunden sei.
Nachdem eine von dem Stadtarchivar Eduard Schulte seit 1937 vorbereitete Ausstellung mit nationalsozialistischer Tendenz nicht realisiert wurde, fand 1948 unter dem Motto „Gedenken, nicht feiern“ in der zerstörten Stadt eine größere Gedenkfeier statt. In einer gewaltigen gemeinsamen Anstrengung gelang es Verwaltung und Bürgerschaft, rechtzeitig zum Jubiläumstag den zerstörten Friedenssaal wiederherzurichten. Die alte Ratskammer war im Bewußtsein der Münsteraner der zentrale Erinnerungsort an den Friedensschluß geworden. Im Landesmuseum fanden am 24. Oktober ein Festakt und eine Ausstellungseröffnung statt; es folgte eine Gedenkwoche mit vielen Veranstaltungen. Mit dem Jahr 1948 hatte Münster den Westfälischen Frieden als positives Ereignis seiner Geschichte entdeckt.
Im Jahr 1998 stellt sich die Stadt dem hohen Anspruch, den Bogen zu spannen von dem historischen Ereignis des Friedensschlusses 1648 zu den Zukunftsaufgaben eines friedlich und föderal organisierten Europa heute. „Die Botschaft des Westfälischen Friedens ist heute ebenso aktuell wie vor 350 Jahren“, betont Kulturdezernentin Helga Boldt. Auch heute sei das Ringen um politisch tragfähige Kompromisse die zentrale Aufgabe der europäischen Staatengemeinschaft. Die Leitidee für das Jubiläumsjahr heiße deshalb auch „350 Jahre Westfälischer Friede - Europa, Region, Zukunft“.
Das Buch von Prof. Dr. Heinz Duchhardt zu einem Aspekt der Politik- und Mentalitätsgeschichte in Münster ist im Verlag Regensberg erschienen und kostet 19,80 Mark.

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