Die Einleitungsworte der drei Friedensverträge bilden den Ausgangspunkt der Performance. "Ihr religiös-ritueller, fast liturgischer Charakter hat den Künstler inspiriert, die Lebendigkeit der europäischen Sprachen zu veranschaulichen", erläutert Kuratorin Bettina Dorn, die in Zusammenarbeit mit Dr. Gail Kirkpatrick, Leiterin der Städtischen Ausstellungshalle Am Hawerkamp, die Arbeit begleitet. In Münster ist Toine Horvers kein Unbekannter. Bereits 1995 hat der Künstler eine Performance zur Eröffnung des Hauses der Niederlande im Krameramtshaus realisiert. Sie war Ausgangspunkt für das städtische Kulturamt, den Niederländer zu einer größeren Arbeit für das Friedensjahr einzuladen.
Zeitgleiche Lesung in Münster und Osnabrück
24 Sprecher aus 16 europäischen Nationen und zwei lateinische Chöre werden die akustische Collage inszenieren. Sie tragen die Präambel der 1648 geschlossenen Friedensverträge zeitgleich und parallel in Münster und Osnabrück vor. Im Paradies des Domes zu Münster und im Dom von Osnabrück rezitieren die Sprechchöre die lateinische Fassung der Einleitungsworte.
Insgesamt 40 Personen beteiligen sich an der Sprach- und Klang-Performance. "Literaten, bühnenerfahrene Personen, Berufstätige, Studenten werden - an einem Tisch sitzend oder sich im Raum bewegend - in ihrer Landessprache die bedeutenden 350 Jahre alten Friedensformeln vortragen", erläutert Bettina Dorn, die für die Umsetzung des Konzeptes verantwortlich ist.
Präzise Klangregie verbindet Sprachen und Friedensorte
Im Anschluß finden sich die Sprecher aus Münster im Kaminzimmer des Krameramtshauses (dem Wohn- und Verhandlungsort der niederländischen Gesandten) und in Osnabrück im Friedenssaal des Rathauses (Verhandlungsraum der kaiserlichen und schwedischen Gesandten) zusammen, um die zuvor einzelnen Sprachklänge zu einem vielsprachigen Klangbild zu vereinen. Mit einer telefonischen Schaltung zwischen den beiden Friedensstätten wird nach einer sekundenpräzisen Klangregie ein Austausch der einzelnen Sprachen entstehen, der eine Klangbewegung zwischen den beiden Friedensstädten herstellt.
Ein Leser beginnt in Münster, nach 30 Sekunden setzt der nächste in Osnabrück ein und so fort. Die beiden Chöre beginnen nach sieben Minuten und steigern innerhalb der nachfolgenden sieben Minuten ihre Lautstärke. Sie bilden das konstruktive Element innerhalb des wachsenden Gesamtklanges, das innerhalb der nächsten sieben Minuten sich wieder gleichmäßig abbaut. Horvers: "Die Performance versucht als zeitliche Skulptur menschlicher Energien ein würdiger künstlerischer Gegenentwurf der Friedensverhandlungen vor 350 Jahren zu sein."
Das Projekt wird von der Mondrian-Stiftung, Amsterdam, unterstützt.
Sprache und Klang im künstlerischen Werk Horvers
Nach eigenen Angaben war Horvers erster Gedanke auf die Einladung des städtischen Kulturamtes, eine Verbindung zwischen den beiden Friedensstädten herzustellen. Horvers: "Die Texte sollten sich zudem mit der Stadt als öffentlichen Raum verbinden, um die Menschen noch stärker mit einzubeziehen. Wichtig war mir, daß das Publikum die Möglichkeit hat, sich die einzelnen Sprachen wie auch den Zusammenklang anzuhören, der als eine sich verändernde Wolke erscheinen wird."
Toine Horvers, Jahrgang 1947, lebt und arbeitet in Rotterdam. Er ist Absolvent der "Academie Beeldende Vorming" in Tilburg, Niederlande. Seit 1979 widmet er sich der Performance-Kunst, die einige ihrer stärksten Impulse in den Niederlanden erfahren hat. Seine Arbeiten beschäftigen sich mit Bewegungen im Raum und in der Zeit, die zumeist durch Handlungen beteiligter Personen entstehen. Horvers interessiert sich insbesondere für die Spannung zwischen einem Text als abstrakter Klang in Raum und Zeit und einem Text als Information über Dinge, die sich in Raum und Zeit vollziehen oder vollzogen haben.
In seinen "Kompositionen" aus Klang, Text und Sprache nimmt er auch Bezug auf den Umraum, der architektonisch oder natürlich sein kann. Seit Ende der 70er Jahre hat er eine Vielzahl von Performances im In- und Ausland realisiert. So führte er 1987 auf der "documenta 8" in Kassel und 1985 und 1990 im Gemeentemuseum in Den Haag Arbeiten aus. 1998 war er unter anderem vertreten in der "I. Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst" (Wolfenbüttel), auf dem Festival für ungewöhnliche Musik "Carpe Diem" (Berlin) und in der Ausstellung "Neuro Artonomy" (Rotterdam).