(SMS) "Was man nicht zeigen kann...", so könnte der Untertitel für die beiden neuen Publikationen zu den Täufern in Münster lauten. Sowohl die Rezeptionsgeschichte des Täuferreiches, mit der sich das Buch von Dr. Katja Schupp unter dem Titel "Zwischen Faszination und Abscheu" befasst, wie auch der Band "Das Königreich der Täufer in Münster - Neue Perspektiven", herausgegeben von der Leiterin des Stadtmuseums, Dr. Barbara Rommé, fassen Themen zusammen, die sich in einer Ausstellung nicht zeigen lassen.
Dies macht Rommé in der Einleitung der "Neuen Perspektiven" deutlich. In einem Rückblick auf die Ausstellung des Stadtmuseums "Das Königreich der Täufer" zeigt sie, dass sowohl die Ausstellung selbst wie auch das umfangreiche Begleitprogramm zu neuen Erkenntnissen und Perspektiven geführt haben, die 2002 auch in die fünf umgestalteten Kabinette in der Schausammlung einfließen konnten.
All das, "was man nicht zeigen kann", lässt sich nun in "Das Königreich der Täufer in Münster" nachlesen. Für Laien wie Fachleute eine wichtige Ergänzung zum Ausstellungskatalog. So geht Dr. Rita Kauder-Steiniger, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Stadtmuseum, dem Schicksal der Frauen im Münster der Täuferzeit nach. Unter der Überschrift "Täuferinnen - Opfer oder Heldinnen?" findet man auch die Erkenntnis, dass die Literatur sich hauptsächlich mit den männlichen Täufern beschäftigt, obwohl rund zwei Drittel der Bevölkerung weiblich war.
Ansätze neuer Wahrnehmung der Täuferherrschaft skizziert Dr. Ralf Klötzer und legt offen, aus welchen Elementen sich das Bild der Täufer heutzutage zusammensetzt. Professor Dr. Peter Johanek erklärt in "Die Täufer, die Stadt und der Bischof" die gesellschaftliche Situation in den 20er und 30er Jahren des 16. Jahrhunderts in Münster und den daraus resultierenden Erfolg der Täufer. Wie Geschichte instrumentalisiert werden kann, zeigt der Umgang der Nationalsozialisten mit der Täuferzeit. Dr. Bernd Thier vom Stadtmuseum füllt mit seinem Beitrag eine Lücke in der Rezeptionsgeschichte der Täufer.
Warum und mit welcher Absicht sich Menschen den Täufern gewidmet haben greift Dr. Katja Schupp in aller Breite auf. "Hexenspuk der Wiedertäuferei", "Vorläufer des neueren Sozialismus", "Garten der Lüste" sind nur einige der Erklärungen, die unterschiedlichste Autoren im Laufe der Zeit gefunden haben. Auf einer breit gefächerten Quellenbasis geht sie den Gründen für die Faszination nach, die das Täuferreich seit über 450 Jahren ausübt. Schupp diskutiert die gescheiterte Utopie genauso wie das Politikum Täufer oder das Täuferreich "als Projektionsfläche bürgerlicher Identität".
Katja Schupp: Zwischen Faszination und Abscheu - Das Täuferreich von Münster. Münster 2003 (= Edition Kulturregion Münsterland. Bd. 1). ISBN 3-8258-4932-5. 30,90 Euro.
Barbara Rommé (Hg.): Das Königreich der Täufer in Münster - Neue Perspektiven. Münster 2003 (= Edition Kulturregion Münsterland. Bd. 4). ISBN 3-8258-6253-4. 19,90 Euro.