22.12.1997

Der „Vrede van Munster“ als Geburtsstunde der Niederlande

30. Januar und 15. Mai 1648 als Geburtsstunde der heutigen Niederlande / Souveränität durch spanisch-niederländischen Separatfrieden

(SMS) Er steht zumeist im Schatten des weltberühmten Friedensschlusses vom 24. Oktober 1648: Der „Vrede van Munster“ - bereits am 30. Januar jenes Jahres im historischen Krameramtshaus in Münster vereinbart und am 15. Mai im Friedenssaal beschworen - rückt mit dem bevorstehenden Beginn des Jubiläumsjahres „350 Jahre Westfälischer Friede“ zunehmend ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Die Daten markieren die gewonnene Selbständigkeit der heutigen Niederlande: Mit dem spanisch-niederländischen Separatfrieden, dem Frieden von Münster, hat die besetzte Nation, die 80 Jahre um die Freiheit kämpfen mußte, in Münster ihre volle Souveranität erlangt.
Im Zentrum des Interesses steht - mit Blick auf den Kalender - zunächst der 30. Januar. Pünktlich zu diesem Termin feiern die Niederländer in Utrecht „Opening van het vredesjaar“. Die Eröffnung des Friedensjahres in den Niederlanden beginnt mit der Herausgabe einer 50-Gulden-Münze, deren erstes Exemplar durch Thronfolger Prinz Willem Alexander geschlagen wird.
Die Stadt Münster verleiht am 30. Januar 1998 ihren Historikerpreis an den Bonner Geschichtswissenschaftler Prof. Dr. Konrad Repgen für seine grundlegenden Arbeiten zur Erforschung des Westfälischen Friedens. Gleichzeitig beginnt im Stadtmuseum die große Ausstellung „30jähriger Krieg, Münster und der Westfälische Friede“, die offiziell am darauffolgenden Sonntag (1. Februar 1998) eröffnet wird.
Am 15. Mai soll mit einem Festakt im Schloß zu Münster im Beisein von Kronprinz Willem Alexander des Gründungsdatums der heutigen Niederlande gedacht werden. In zeitlicher Nähe dieses Termins liegen 1998 sowohl das Westfälische Musikfest der Stadt Münster und des WDR (8. bis 17. Mai) als auch das Open-Air-Wochenende mit einer Live-Sendung des WDR (6. und 7. Juni). Den 1. Westfälischen Friedenspreis der Wirtschaftlichen Gesellschaft für Westfalen und Lippe e.V. erhält am 6. Juni der tschechische Präsident Vaclav Havel.
In der niederländischen Geschichte spielt Münster eine herausragende Rolle. Während der Friedensverhandlungen in Münster wohnten die niederländischen Gesandten im Krameramtshaus, im heutigen „Haus der Niederlande“. In ihrem Quartier wurde der spanisch-niederländische Vertrag unterzeichnet, der am 15. Mai beschworen werden konnte. Die feierliche Ratifikation fand im Rathaus am Prinzipalmarkt statt, genauer in der Ratskammer im Erdgeschoß, die deshalb später den Namen „Friedenssaal“ erhielt. Spanien erkannte die volle Souveränität der nördlichen Niederlande an und verzichtete auf Bergen-op-Zoom, Breda, Maastricht und Herzogenbusch mitsamt der Scheldemündung.
Den feierlichen Moment des Friedensschwurs hat der anwesende Maler Gerard Ter Borch in seinem berühmten Friedensbild - einem Meisterwerk der europäischen Malerei - bis in alle Einzelheiten historisch genau festgehalten. Trompeter auf dem Lambertiturm verkündeten den Separatfrieden; fünf Kompanien Bürger und Soldaten waren auf dem Prinzipalmarkt angetreten und gaben bei Ankunft und Abfahrt der Prunkkarossen Ehrensalven ab.
Am nächsten Tag bot sich den Münsteranern ein prächtiges Schauspiel. Vor dem beflaggten Rathaus wurde von einer Bühne herab der Wortlaut des geschlossenen Friedens verlesen. Alle beteiligten Gesandten waren zugegen, viel Volk drängte sich am Schauplatz des Geschehens. Die Kirchenglocken läuteten, und Spanier und Niederländer empfingen die Glückwünsche der befreundeten Legationen. Für den 5. Juni ordnete der Rat die Ausschmückung der Stadt, Kanonensalut und Feuerwerksaufführungen an. Die Spanier spendeten Freitrunk aus einem Weinbrunnen, die Niederländer stellten auf der Treppe des Krameramtshauses eine Nachbildung des „Manneken Pis“ auf, durch das der Wein in die Becher der Münsteraner rann.
Die Bevölkerung nahm am spanisch-niederländischen Separatfrieden von 1648 großen Anteil, war man doch wegen des ungestörten Handelsverkehrs mit den Niederländern am Abschluß dieses Teilfriedens besonders interessiert. In der Erinnerung der Bürgerschaft stellte dieser Vertrag in der Folgezeit die endgültigen Vertragsinstrumente mit Frankreich und Schweden weit in den Schatten.