Dieser Werkstattbericht beschränkt sich keineswegs auf die Darstellung der Ergebnisse in Wort und Bild. Vielmehr erlaubt die Schau den Besucherinnen und Besuchern den "Blick hinter den Bauzaun". Durch aufwendig inszenierte Grabungssituationen wird der Besucher erstmals in dieser Form im Museum an der Salzstraße durch die Ausgrabung geleitet. Die Profile der Grabungsschnitte sind an den Wänden des Ausstellungsraumes mit Erdschichten und Fundstücken rekonstruiert, so daß der Besucher in die Grabung hineinschreitet und vor Ort die Ergebnisse vor Augen hat.
Auf diese Weise wird auch das 1997 ausgegrabene Mauerfundament des Clemens-Hospitals präsentiert, das vermutlich zum Clemens-Hospital gehört. Die Archäologen unter der Leitung von Stephan Winkler von der Städtischen Denkmalbehörde entdeckten es im nördlichen Teil des Stubengassen-Areals. Das Hospital, zwischen 1745 und 1751 nach Plänen von Schlaun errichtet, wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Wenn die Archäologen im kommenden Jahr im südlichen Teil des Geländes graben, werden sie aller Voraussicht nach auch die Überreste der seit 1613 errichteten und bis in das beginnende 20. Jahrhundert in Teilen existierenden Gebäude des Clarissenklosters finden.
Leben auf der Stubengasse schon im 9. Jahrhundert
Die Geschichtsschreibung vermutet, daß das Areal an der Stubengasse bereits im 9. Jahrhundert besiedelt wurde. Im nördlichen Teil soll zur Zeit der Stadtgründung der Hof Nerdinck gestanden haben, dessen Wassergraben - soweit dies die historischen Quellen überliefern - bis in das Jahr 1744 existierte. Über Jahrhunderte "entsorgten" die Bewohner der anliegenden Grundstücke dort ihren Unrat und hinterließen den Archäologen somit reichhaltige Quellen. Der Großteil der bisher bei den Grabungen geborgenen Fundstücke - Objekte aus Keramik, Glas, Metall und Leder - stammt aus diesem Graben.
Entlang der Stubengasse reihten sich dicht an dicht schmale, giebelständige Häuser, deren Grundstücke bis an die Gräfte heranreichten. In den Hinterhofbereichen, die ergraben werden konnten, offenbarte sich den Archäologen das bisweilen wenig appetitliche Spektrum privater Ver- und Entsorgungsprobleme in der Enge einer dicht besiedelten mittelalterlichen Stadt: Abfallgruben lagen dicht neben Brunnen aus unterschiedlichen Zeiten. Der Kadaver einer Kuh, die vermutlich an einer Seuche einging, wurde um 1300 an Ort und Stelle vergraben. Ausgediente Brunnen wurden als Kloake weiterverwendet und später zugeschüttet. Als sie in Vergessenheit geraten waren, wurden neue Brunnen in den fäkalienverseuchten Boden gebohrt. Das Fundmaterial, das die von Dr. Bernd Thier vorbereitete Ausstellung zeigt, ermöglicht wertvolle Einblicke in die Lebens- und Arbeitswelten der Bürgerinnen und Bürger im Mittelalter und in der frühen Neuzeit.
Doch auch vor Überraschungen sind Archäologen nicht sicher. Völlig unerwartet entdeckten sie vor wenigen Monaten ein Areal mit rund 60 Gräbern, auf die es bisher keinerlei Hinweise gab. Die Skelette werden zur Zeit im Pathologischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster untersucht. Mit Spannung werden die Ergebnisse erwartet.