10.03.1997

Annette von Droste-Hülshoff - Ein Leben zwischen Fügsamkeit und Selbstverwirklichung

Ausstellung im Stadtmuseum zeigt eine Frau mit vielen Gesichtern

(SMS) "Denkst du noch an meine ... Bank unter den Eichen? Von der ich so schwer Abschied genommen habe, als ob es mich geahndet hätte, daß ich dir dort nie wieder mit meinem Fernrohr auflauern würde...". Für die vermutlich wegen einer Schilddrüsenerkrankung hochgradig kurzsichtige Annette von Droste-Hülshoff war die Sehhilfe notwendiges Utensil - nicht nur während des Wartens auf ihren lieben Levin Schücking: Die von Augenkatarrhen und Bindehautentzündungen geplagte Dichterin konnte auf Entfernungen kaum etwas erkennen. Ihr filigranes Fernglas aus Mahagoni/Messing ist eines von 120 Objekten im Stadtmuseum Münster, die eine sehr ´private Droste´ lebendig werden lassen. "Zwischen Fügsamkeit und Selbstverwirklichung" - unter diesen Titel stellt das Museum an der Salzstraße seine "Geburtstags"-Annäherung an die Schriftstellerin.

Der Dank von Museumsleiter Hans Galen gilt den zahlreichen privaten und öffentlichen Leihgebern: "Durch ihre großzügige Unterstützung und durch die enge Zusammenarbeit mit der Droste-Gesellschaft können wir zahlreiche Exponate zeigen, die bisher noch nie in der Öffentlichkeit zu sehen waren".

In der von Dr. Rita Kauder-Steiniger und Dr. Anette Wohlgemuth erarbeiteten Ausstellung zeigt sich eine Frau mit vielen Gesichtern. Da ist das unverheiratete Freifräulein, zeitlebens der Mutter als "Deine gehorsame Tochter Nette" ergeben. Die Pflichtbewußte, die Konversation macht, ausdauernd kranke Angehörige pflegt und die Erziehung von Neffen und Nichten sowie unbegabter Cousinen ("die Mädchen werden alle Tage häßlicher und widerlicher") auf sich nimmt. Und es entsteht das Bild der Autorin, die - dem biedermeierlichen Zeitgeist trotzend - als Frau Stellung bezieht, schreibt und Verleger findet.

Zahlreiche Exonate stammen aus dem ganz persönlichen Umkreis der Droste, aus ihrem Nachlaß, aus dem ihrer Familie, aber auch aus ihrem gesellschaftlichen Umfeld, dem münsterländischen Adel. Ergänzt wird die Ausstellung von Objekten aus dem Museumsbestand. Sie veranschaulichen zeitgeschichtliche Ereignisse in jenen Jahren zwischen Biedermeier, Vormärz und Revolution, zu denen die Droste in Werken und Briefen Stellung genommen hat.

Tauftuch mit Monogramm und Krone Schon das Tauftuch weist im ersten Ausstellungsteil mit dem Titel "Das adlige Fräulein" auf Herkunft und Stand der "Anna Elisabeth": Monogramm und Krone auf Seide mit Spitze. Die adlige Gesellschaft in Stadt und Land lebte eine Kultur der Muße: Ausgedehnte Besuche, Musik, Lektüre, Spiel und Handarbeit wurden gepflegt. Visitenkarten des "Fräulein von Droste-Hülshoff", Scherenschnitte und Zeichenskizzen von ihrer Hand gehören in diesen Bereich wie Spielmarken aus Perlmutt oder der Malkasten ihrer Schwester Jenny. Auffälliges Exponat ist die Fahne der St. Pantaleon Schützenbruderschaft Roxel um 1823/24. Annette und Jenny entwarfen und bestickten das Tuch über mehrere Monate. Von der berühmten Sammelleidenschaft der Droste - sie reichte von Münzen, Mineralien, Muscheln über Elfenbein, Edelsteinen bis hin zu Kupferstichen, Figuren und Büsten - künden zahlreiche Beispiele in den Vitrinen.

Leben und Werk der heute in alle Weltsprachen übersetzten Autorin entfalten sich auch in der Darstellung als "Zeitgenossin". Gesellschaftliche Unruhen, politische Ereignisse, Stimmen von Zeitgenossen werden durch entsprechende Zitate und Objekte widergespiegelt. Kommentare von der Droste selbst kommen hinzu: "Es ist wirklich arg", so empört sie sich 1837 in einem Brief, "daß man sich kein Paar Schuh kann anmessen lassen, ohne eine ganze Tracht Politick mit in den Kauf zu nehmen".

Tintenfaß und Totenzettel Erstmals in der Öffentlichkeit ist ihr "Schreibzeug" mit dem Tintenfaß aus Zinn zu sehen. Auf der originalen Droste-Zeichnung vom "Schneckenhäuschen" (ihr Wohn- und Arbeitszimmer) findet sich dieses Tintenfaß als eines der wenigen gezeichneten Utensilien. Die "Dichterin" wird in diesem Ausstellungsbereich präsent durch Portraits ihrer Förderer und Mentoren, darunter Christoph Bernhard Schlüter, Freund und Mitglied ihres literarischen Freundeskreises "Hecken-Schriftsteller-Gesellschaft". Gezeigt werden Ausgaben ihrer Gedichte, Verlagsverträge, der Erstdruck der "Judenbuche" und Ansichten von der Meersburg. Auf der Burg ihres Schwagers hat die Schriftstellerin unbehelligt von Zwang und Pflichten ihre literarisch kreativste Zeit. Dort stirbt sie auch am 24. Mai 1848 - der Totenzettel ist im Museum ausgestellt.

Ton-Dia-Show Besucherinnen und Besucher, die nach dem Rundgang Werke der Dichterin hören möchten, können gleich im Museums-Sessel Platz nehmen. In einer speziellen Ton-Dia-Show werden bekannte und unbekanntere Gedichte rezitiert.

(bis 31. August, Stadtmuseum Münster, Salzstraße 28, dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr, Eintritt frei)