"Vielleicht erleichtert es Ihre Entscheidung, wenn Sie bedenken, daß schon morgen Angehörige, Freunde oder Sie selbst auf eine Organtransplantation angewiesen sein könnten", führen die Oberbürgermeisterin und die Vorsitzende der Behindertenkommission aus.
Allein beim Transplantationszentrum der Universität Münster sind 400 schwerkranke Menschen vorgemerkt, die dringend auf eine Transplantation warten. Darunter befinden sich über 300 dialysepflichtige Nierenkranke, 45 Herzkranke sowie neun Menschen mit schweren Lungen- und zehn bis 15 mit schweren Leberschäden. Bundesweit mußten im vergangenen Jahr mehr als 300 Dialysepatienten sterben, weil sie die durchschnittliche Wartezeit von vier bis fünf Jahren auf eine Spenderniere nicht überstanden haben.
Jeder kann von Infektionen, Vergiftungen oder Unfällen betroffen sein, in deren Folge Organe ihre lebensnotwendigen Funktionen versagen. Glücklicherweise hat die Transplantationsmedizin große Fortschritte gemacht, Leben kann gerettet, Leiden gemindert werden. Nur: Es fehlen Spenderorgane. Mangels Information setzt sich kaum jemand mit der Frage auseinander, ob er bereit ist, nach seinem Tod mit einer Organspende anderen vielleicht das Leben zu retten. Angehörige wiederum scheuen sich oft, diese Angelegenheit unmittelbar nach dem Tod eines nahen Verwandten stellvertretend zu entscheiden. Das ist der Grund für die gemeinsame Initiative von Stadt, Bundesverband der Organtransplantierten e.V. und Intergessengemeinschaft Künstliche Niere und Nierentransplantierter e.V.
Wenige Zahlen zeigen, welch enormen Lebensgewinn zum Beispiel eine Nierentransplantation bedeuten kann. Zirka 60 Prozent der Nierentransplantate sind noch nach zehn Jahren voll funktionsfähig. Oft können vormalige Dialyse-Patienten wieder einer geregelten Berufstätigkeit nachgehen, sofern sie auf dem angespannten Arbeitsmarkt eine Stelle erhalten. Vor der Transplantation mußten sie sich drei- bis viermal in der Woche jeweils fünf bis sechs Stunden lang der extrem belastenden Dialyse unterziehen. Ähnlich groß wie bei der Nieren- sind die Erfolgsaussichten auch für die Leber- und die Herztransplantation.
Die münstersche Initiative trifft mit dem Inkrafttreten des Organtransplantationsgesetzes (voraussichtlich zum 1. Dezember 1997) zusammen. Die ersten Anläufe zu einer gesetzlichen Regelung reichen bis in die frühen siebziger Jahre zurück.
Jeder und jede kann durch Unterschrift auf dem Spenderausweis verbindlich erklären, daß nach dem Tod Organe zur Transplantation entnommen werden dürfen. Liegt keine zustimmende oder ablehnende Erklärung vor, können nahe Angehörige oder Lebenspartner nach einer Einwilligung gefragt werden. Daneben kann die Entscheidung über eine Organspende nach dem Tod durch einfache Erklärung auf dem Spenderausweis auch einer anderen Person übertragen werden. Alle Erklärungen können jederzeit wieder rückgängig gemacht werden, indem der Spenderausweis einfach vernichtet wird.
Auch die Lebendspende von Niere und Leber unter Verwandten ist jetzt geregelt. Dabei wird eine Spenderniere oder - speziell für Kinder - ein Teil der Leber verpflanzt. Ausdrücklich untersagt ist im übrigen der Handel mit Organen.
Das neue Gesetz hat die grundsätzliche Trennung der Bereiche Organspende, Verteilung und Transplantation festgeschrieben. Organspenden Verstorbener kommen bei Tod infolge schwerer Hirnschäden infrage. Den Hirntod müssen zwei Neurologen unabhängig voneinander auf der Intensivstation feststellen. Liegt eine Einwilligung zur Spende vor, organisiert das nächstgelegene Transplantationszentrum gegebenenfalls die Organentnahme.
Die Vermittlung eines Empfängers nimmt der Eurotransplant-Verbund für Deutschland, Österreich und die Benelux-Staaten wahr. Bei Eurotransplant sind sämtliche Daten möglicher Empfänger gespeichert. Sie werden mit denen eines möglichen Spenders per Computer abgeglichen. So läßt sich nach festgelegten Kriterien der geeignete Empfänger ermitteln.
Bei jährlich 900 000 Todesfällen in der Bundesrepublik kommen etwa 5000 Menschen, die auf der Intensivstation an Hirntod verstorben sind, als Organspender in Frage. Im vergangenen Jahr sind 1040 Organspender zur Spende gekommen. Nur 34 der Verstorbenen hatten einen Spenderausweis. In allen anderen Fällen gaben Angehörige die Einwilligung. Je mehr Menschen einen Ausweis ausfüllen, umso öfter und wirkungsvoller kann schwerstkranken Patienten geholfen werden, umso häufiger können Leben gerettet werden.