Jeder Besucher der Altstadt quert über kurz oder lang die viereinhalb Kilometer lange Promenade - Denkmal, Wahrzeichen, Erholungsidylle und Radfahrrund zugleich. Der grüne geschlossene Ring - er spiegelt noch heute im Grundriß die mittelalterliche Befestigungsanlage wider - kreist wie eine lebenserhaltene Ader um die Stadt. "Alvargonzalez erlebt sie in seiner künstlerischen Arbeit als Schnittpunkt, an dem das Vergangene, die Gegenwart und die Zukunft erfahrbar wird", so Dr. Gail Kirkpatrick, Leiterin der Hawerkamphalle. Die Impressionen, die der gebürtige Andalusier mit Wohnsitz in Barcelona und Berlin bei seinen Spaziergängen sammelte, hat er in seiner Installation in Video und Fotografie umgesetzt.
Seine fotografischen Ansichten von der Promenade präsentiert er in schwarz gerahmten Kästen. Jede Aufnahme wird von kleinen, in regelmäßigen Abständen angeordneten Glühbirnen umgeben, die sich in der Bildoberfläche widerspiegeln. Wie eine perspektivische Linienführung, die ins Unendliche führt: Alvargonzalez visualisiert die Promenade als Weg ohne eigentlichen Anfang oder Ende.
In seinen sechs simultan laufenden Videoprojektionen arbeitet Alvargonzalez computertechnisch mit Collage- und Überblendtechnik. Er bringt den üblichen Promenaden-Blick mit Bäumen und Fußgängern, Kinderwagen und Skatern, Radfahrpulks und Schloßansicht aus dem Lot. Der Spanier verleiht seinen bewegten, flakernden, farbverstärkten oder -abgeschwächten Bildern, die mit dem Klangsound des Alltags unterlegt sind, metaphorische Dimension. Der Promeandentunnel weckt Gedanken an Gegenwärtigkeit und Zukunft, vielleicht auch an Fortbewegung und Fortschreiten. Die Ansichten vom "Denkmal" und "Baumstumpf" erinnern an Stillstand, Vergangenheit und Vergänglichkeit, die Ansicht der "Insel" an Intimität und Öffentlichkeit.
Chema Alvargonzalez ist erster Träger des mit insgesamt 50 000 Mark dotierten "LVM-Kunstförderpreises für Münster". Ausgewählt wurde der Spanier, 1960 in Jerez de la Frontera geboren, von der Förderpreis-Jurorin Rebecca Horn. Die Künstlerin von Weltruf wird bei der Internationalen Skulpturenausstellung ´97 erneut in Münster vertreten sein. Ihre Arbeit für die Skulptur ´87 "Das gegenläufige Konzert" hat die Stadt Münster angekauft. Sie wird demächst wieder im Zwinger an der Promenade zu sehen sein.
(bis 22. Mai, Katalog) Städtische Ausstellungshalle Am Hawerkamp 22 in Münster; Öffnungszeiten: donnerstags/freitags 16 - 20 Uhr, samstags/sonntags 12 - 18 Uhr.