07.06.1999

Kühler Kopf gefragt

Schiedsfrau Hannelore Müller bringt Streithähne zur Raison

(SMS) Er ist schnell passiert: Der Streit mit dem Nachbarn um die Höhe der Gartenhecke, der Zwist mit anderen Hausbewohnern um die Benutzung der Waschküche oder die Fahrräder im Eingang, und nicht zuletzt der Ärger über eine schlecht ausgeführte Reparatur. Solche Auseinandersetzungen, klein angefangen, gipfeln oft im - nicht nur verbalen - Schlagabtausch, und häufig stellt der Gang zum Gericht für den Geschädigten die vermeintlich einzige Möglichkeit dar, zu seinem Recht zu kommen. Doch mancher steht am Ende dieses Weges vor einem persönlichen Scherbenhaufen: Die Rechtsfrage ist zwar zu seinen Gunsten entschieden, die menschliche Beziehung mit dem anderen Beteiligten aber für immer zerstört. Daß es auch anders geht, beweist die Arbeit von Hannelore Müller.

Hannelore Müller ist eine der Schiedsmänner und Schiedsfrauen, die sich tagtäglich darum bemühen, die Gesprächsbereitschaft zwischen den Zerstrittenen und ein wenig Entgegenkommen von beiden Parteien zu fördern. Die 56jährige übt ihr Ehrenamt seit Dezember 1996 neben ihrer Berufstätigkeit als kaufmännische Sachbearbeiterin aus. "Ich habe mich schon immer bewußt in Bereichen engagiert, die das menschliche Miteinander zum Gegenstand haben, wie beispielsweise in der Elternvertretung und der Schulpflegschaft", sagt die Mutter eines mittlerweile erwachsenen Sohnes. Daher sei ihre Familie auch gar nicht erstaunt gewesen, als sie sich dazu entschloß, Schiedsfrau zu werden. "Diese Tätigkeit verlangt natürlich einen kühlen Kopf und die Fähigkeit, Streithähne zu einem Gespräch zu bewegen. Darüber hinaus gewährt sie interessante Einblicke in die Rechtswissenschaft." Regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen und eine monatliche Fachzeitschrift tragen dazu bei, juristisches Hintergrundwissen aufzubauen.

Der Gang zum Schiedsmann oder zur Schiedsfrau ist nicht immer vorgeschrieben, aber oft der schnellste Weg, um eine Auseinandersetzung unbürokratisch und kostensparend beizulegen. Bei Privatklagedelikten wie beispielsweise Beleidigung, Hausfriedensbruch, leichter Körperverletzung, Verletzung des Briefgeheimnisses, Bedrohung oder Sachbeschädigung müssen Bürger, ehe sie sich an das Gericht wenden können, diesen Weg einschlagen. "In der Regel erhält der Geschädigte die Telefonnummer der für seinen Wohnbezirk zuständigen Schiedsperson", erläutert Hannelore Müller. "Viele Dinge lassen sich schon am Telefon klären, denn oftmals möchte er seinen Fall ganz einfach einem objektiven Zuhörer antragen. Viele erkennen noch im Gespräch, wieviel einfacher es ist, direkt mit dem Nachbarn oder Mitbewohner zu sprechen."

In den übrigen Fällen folgt dem Telefonat ein Treffen, zu dem alle Beteiligten geladen werden und das in der Regel in der Wohnung der Schiedsperson stattfindet. "Man hat aber auch die Möglichkeit, in ein öffentliches Gebäude auszuweichen", so die Schiedsfrau. Allerdings schaffe die ruhige und entspannte Atmosphäre einer Privatwohnung einfach die beste Voraussetzung für eine Einigung der Parteien. "Ich bin immer sehr zufrieden, wenn es mir gelungen ist allein durch geduldiges Zuhören und Vermitteln dazu beizutragen, den sozialen Frieden wiederherzustellen."

Das städtische Rechtsamt sucht derzeit Bewerberinnen und Bewerber für das Amt der Schiedsperson im Stadtbezirk Hafen/Geist sowie für das Amt der stellvertretenden Schiedsperson im Stadtbezirk Uppenberg/Mauritz. Bewerber für diese Ehrenämter müssen im jeweiligen Stadtbezirk wohnen und zwischen 30 und 70 Jahren alt sein. Informationen erteilt Jürgen Holzinger vom Rechtsamt unter der Rufnummer 4 92-30 25.