09.04.1999

Verläßlicher Takt auch im Berufsvekehr und bei schlechtem Wetter

Neue Funk-Bake-Technologie erhöht Attraktivität des Busfahrens

(SMS) Morgens geht es in Münsters Bussen besonders heiß her, wissen erfahrene Busnutzer. Berufstätige streben fast gleichzeitig zur Arbeit, Schüler in die Schule. Dasselbe Bild am frühen und späten Nachmittag: Schulklassen bevölkern die öffentlichen Verkehrsmittel, Arbeitnehmer wollen nach einem langen Tag möglichst schnell wieder nach Hause. "Bis vor kurzem war das Hauptproblem im Busverkehr vor allem die Fahrplanunsicherheit", sagt Verkehrsplaner Andreas Pott vom Stadtplanungsamt. Regnete es auch noch zur Rush-hour, kam es nicht selten zu Verspätungen von zehn Minuten oder mehr. Pünktliche und einprägsame Abfahrzeiten seien aber das A und O, um den Bus für Fahrgäste attraktiv zu machen. "Verspätungen lassen sich auch heute zu Hauptverkehrszeiten nicht immer vermeiden - aber deutlich reduzieren", weiß Pott. Der Schlüssel zum Erfolg ist das neue Funk-Bake-System.

Die Funk-Bake-Technologie erlaubt eine Ampelsteuerung, die den Bus mit möglichst geringen Wartezeiten passieren läßt, ohne dabei andere Verkehrsteilnehmer unnötig einzuschränken. Und das funktioniert so: An den Fahrstrecken sind kleine graue Kästen installiert, sogenannte Baken. Per Infrarot liefern sie dem Rechnersystem im Bus Informationen über seinen aktuellen Standort und die Meldepunkte für die nächste Ampel. Sind diese erreicht, meldet sich der Bus per Datenfunk mit Liniennummer und Fahrtrichtung an. "Das heißt aber keineswegs freie Fahrt um jeden Preis", hebt Andreas Pott hervor. Denn auf das gefunkte "Datentelegramm" reagiert die Ampel flexibel.

Flexible Ampelsteuerung mit Rücksicht auf andere

Wäre ihr Schaltmechanismus ohnehin gleich auf Grün gesprungen, gibt sie dem herannahenden Bus etwas früher freie Fahrt. Auch die Verlängerung einer laufenden Grünphase ist möglich, um den Bus noch durchkommen zu lassen. In Einzelfällen werden auch sogenannte Sonderfenster mit kurzen zusätzlichen Grünzeiten eingerichtet. Wenn der Strom des übrigen Verkehrs durch den Buseingriff verkürzt wurde, gleicht die Ampel das im folgenden Umlauf durch längere Freigabezeit wieder aus. Weder Fußgänger noch Rad- und Autofahrer sollen durch das neue System zurückgesetzt werden.

Denn in Münster wurde anders als in anderen Städten bewußt auf die absolute Busbeschleunigung verzichtet. Das hätte nach Ansicht des städtischen Verkehrsplaners zu nicht vertretbaren Einschränkungen im Individualverkehr geführt.

Auf den stark frequentierten Verkehrsachsen Weseler Straße - Mecklenbeck, Hammer Straße - Hiltrup und im Bereich Rishon-Le-Zion-Ring / Coesfelder Kreuz wurde die neue Technologie seit 1994 schrittweise installiert. Zusätzlich wurden die Ampeln in Hiltrup, auf dem Hohen Heckenweg und im Bereich Schiffahrter Damm / Danziger Freiheit ausgerüstet. Den Installationen vorausgegangen waren intensive Testphasen. Nach bestandener Feuertaufe wurden vom städtischen Tiefbauamt bis heute 80 Ampeln ausgerüstet und 214 Infrarotbaken am Fahrbahnrand aufgehängt.

Die Verlustrate sei bisher mit drei entwendeten und einer beschädigten Bake erfreulich niedrig, betont Michael Krause, stellvertretender Leiter des städtischen Tiefbauamtes. Auch die Anzahl der Betriebsstörungen sei mit ein bis zwei Meldungen pro Woche auffallend gering. Zur Zeit wird der Einsatz eines rechnergestützten Kontroll- und Analysesystems vorbereitet.

Nach den Erfahrungen der Stadtwerke und Regional-Bus-Unternehmen sind durch die Kombination der neuen Technik mit den Busspuren Verspätungen auf diesen Strecken kaum noch zu verzeichnen. "Zum Fahrplanwechsel im vergangenen Oktober konnten erstmals sogar die Fahrplanzeiten verkürzt werden", freut sich Udo Wittenberg, Leiter der Abteilung Planung bei den Verkehrsbetrieben der Stadtwerke. Sowohl die gesamte Fahrzeugflotte der Stadtwerke mit 125 Bussen als auch 75 Prozent der angemieteten Busse sind inzwischen mit der neuen Technik ausgestattet. Diese Busse verfügen neben der Funk-Bake-Technik zusätzlich über das Rechnergestützte Betriebsleitsystem (RBL). Mit ihm wird die Haltestellenansage und -anzeige im Bus gesteuert. Außerdem kommuniziert der Bus automatisch mit der Leitstelle der Stadtwerke und liefert Informationen über Busauslastung und eventuelle Verzögerungen, so daß die Fahrzeuge vom Disponenten der Einsatzzentrale flexibel und situationsgerecht dirigiert werden können.

Auch die Regionalverkehr Münsterland GmbH (RVM) mit ihren Schnellbuslinien hat einen Großteil ihrer Fahrzeuge umgerüstet. Die Praxiserfahrungen in Münster und in anderen Städten, die mit Funk-Bake-Systemen ausgestattet sind, seien durchweg positiv, betont Gerhard Kettner, Abteilungsleiter für die betriebliche und verkehrstechnische Planung bei der RVM.

ÖPNV-Förderprogramm brachte Durchbruch

Der Installation der neuen Technik ging ein intensiver Weg der Entwicklung und Planung voraus. Um die genauen Ursachen der Busverspätungen aufzuspüren, hatten die Stadtwerke bereits 1987 Fahr- und Verlustzeitmessungen durchführen lassen. Die Untersuchungen ergaben: Ein Drittel der Verzögerungen entstehen vor Ampelanlagen und durch zähfließenden Verkehr. Damals wurden zwei Alternativen erwogen: Entweder müssen die Fahrpläne der tatsächlichen Fahrzeit der Busse angepaßt werden oder es werden Maßnahmen ergriffen, die die Ursachen dauerhaft beseitigen.

Zur Lösung des Problems entwickelte das Stadtplanungsamt das ÖPNV-Förderprogramm, das nach umfangreichen Beratungen 1991 vom Rat verabschiedet wurde. Die Planer schlugen darin ein ganzes Bündel an Maßnahmen vor, zu denen vor allem die Einrichtung von Busspuren an stauanfälligen Straßenabschnitten und das Vorrecht von Bussen an Ampelanlagen gehören. Seit 1985 wurde an einigen Stellen ein Schleifensystem eingerichtet, wie es heute noch an verschiedenen Ampelanlagen, beispielsweise Von-Vincke-Straße / Windthorststraße, in Betrieb ist. Da das System aber mit hohen Tiefbaukosten verbunden ist und nur grobe Eingriffe in die Ampelanlage erlaubt, fiel die Entscheidung für die Funk-Bake-Technik. Bis zum Jahr 2003 ist vorbehaltlich der Zustimmung der politischen Gremien die Umrüstung weiterer Verkehrsadern in den Bereichen Mauritzstraße - Münzstraße, nördlicher Ring, Grevener Straße - Kinderhaus und Albersloher Weg geplant.

Zukunftsinvestion in den öffentlichen Personennahverkehr

Die Kosten für die Ausrüstung einer Ampel betragen durchschnittlich 60 000 Mark. Die Ausstattung eines Linienbusses mit allen Komponenten des RBL- und Funk-Bake-Systems liegen bei 28 000 Mark. Die Ausstattung der übrigen Busse (ohne RBL-System) nur mit Funk-Bake-System kostet im Schnitt 5000 Mark. Investitionen, die sich nach übereinstimmender Erfahrung von Stadt, Stadtwerken und RVM bereits jetzt bezahlt gemacht haben und die angesichts der steigenden Bedeutung des öffentlichen Personennahverkehrs auch für die Zukunft sinnvoll sind.

"Die Förderung des Umweltverbundes durch die höhere Attraktivität der öffentlichen Verkehrsmittel ist offensichtlich", betont Michael Krause, stellvertretender Leiter des städtischen Tiefbauamtes. Neben dem offenkundigen Nutzen für über 33 Millionen Busfahrgäste im Jahr gebe es vor allem Einsparungen bei den Fahrzeug- und Personalkosten, die sich aus der höheren Fahrplangenauigkeit und der Verkürzung der Fahrzeiten ergeben. Allein für den Abschnitt Mecklenbeck (Linien 15 und 16) könne dank der neuen Technik den Fahrgästen im Jahr rund 60 000 Stunden Wartezeit vor Ampeln erspart werden, so Udo Wittenberg von den Stadtwerken.

Verkehrsplaner Andreas Pott hebt hervor, daß bei den Bürgerumfragen die Münsteraner dem Ziel ‘saubere Luft’ regelmäßig höchste Priorität geben. Zu diesem Bestandteil von Lebensqualität trage das umweltgerechte Verkehrsmittel Bus in erheblichem Maße bei. Letztlich sei das Funk-Bake-System eine intelligente Antwort darauf, daß immer mehr Autos auf der Straße rollen und der Verkehrsraum begrenzt ist. Die Gesamtmaßnahmen werden durch Projektmittel des Landes nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) gefördert.