-» zurück zur Homepage
Stiftungen haben Tradition
Beherbergen
Trösten, Pflegen, Heilen
Aus Kindern werden Leute
Viel Geld: Kapitalstiftungen
Frühe Neuzeit: 1553-1632
In die Moderne: 1688-1768
Zum Stiften anstiften: 1851-1989
 
Stadtarchiv / Stadt Münster
Armut Vom Stiften Offene Armenfürsorge Leben in Armenhäusern Orte der Wohltätigkeit
In die Moderne: 1688-1768

• Rudolf von der Tinnen 1688
• Johann Georg Rave 1737
• Dr. Arnold Anton Adam Jungeblodt 1753
• Dr. Friedrich Christian Siverdes 1768

Wappen des Stifters Rudolph von der Tinnen [Bildnachweis]
Die ausgiebigen Friedensfeiern 1648 in den Städten Münster und Osnabrück konnten keineswegs darüber hinwegtäuschen, dass die Folgen des langen Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) für die Bevölkerung katastrophal waren. Auch die wiederholten Belagerungen Münsters, die 1661 zur Durchsetzung der fürstbischöflichen Herrschaft in der Stadt führten, trugen zur Verarmung vieler bei. In dieser Zeit des Umbruchs zur Moderne wandelte sich auch die Stiftungsmotivation. Entscheidend war nicht länger allein die mittelalterliche Angst vor dem Fegefeuer. Es entstanden eine Vielzahl weiterer Stiftungszwecke und -arten. Die sogenannten Familien- und Sozialstiftungen sollten eine standesgemäße Versorgung der eigenen Nachkommen gewährleisten und einer drohenden Verarmung vorbeugen. Ein Beispiel für eine typische Familienstiftung ist das Testament des münsterschen Erbmannes Rudolph von der Tinnen 1688. Eine Mischform aus Familien- und Sozialstiftung repräsentiert das Vermächtnis des Juristen Dr. Friedrich Christian Siverdes 1768.
Dagegen berücksichtigten die Initiativen des Geistlichen Johann Georg Rave (1737) und des Juristen Dr. Arnold Anton Adam Jungeblodt (1753) allgemein die Armen der Stadt. Diese beiden Kapitalstiftungen wurden durch Zuwendungen anderer Wohltäterinnen und Wohltäter erweitert.


Rudolph von der Tinnen 1688

Rudolph von der Tinnen, 1670 [Bildnachweis]
Der Stifter präsentiert sich stolz mit geharnischter Brust, feiner Krawatte und Perücke. Damit drückt er sein Selbstverständnis als Adeliger aus. Rudolph von der Tinnen (1612-1702) entstammte einem Erbmännergeschlecht. Die Erbmänner gehörten zur Führungsschicht in Münster, unterhielten weitläufige Handelsbeziehungen, hatten umfangreichen Grundbesitz und engagierten sich politisch im Rat der Stadt.
Schon zu Lebzeiten darum bemüht, die Seinen standesgemäß abzusichern, ging es Rudolph auch in seinem Testament aus dem Jahre 1688 hauptsächlich um die Erhaltung von Name, Stamm, Besitz und Einigkeit der Familie. Erst zweitrangig folgte die Armenfürsorge, die katholischen Armen vorbehalten war. Im Falle des Aussterbens der Familie sollte ein Teil des Vermögens einer Stiftung für "verschämte" Arme, laut Urkunde "heimbligh bedürftige breßhafte und gottesfürchtige" Arme vorgesehen werden. Damit meinte der Stifter insbesondere auch Angehörige mittellos gewordener Erbmännerfamilien, die auf ihren standesgemäßen Lebensstil nicht verzichten wollten. Davon waren nicht wenige betroffen: Die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges und die Einnahme der Stadt durch Fürstbischof Christoph Bernhard 1661 hatte zu einer Verarmung vormals reicher Familien beigetragen.
Das Aussterben der alten Erbmännergeschlechter führte im Laufe der Zeit zu einer Umschichtung der Zuwendungen: Witwen bürgerlicher Herkunft, heimat- und besitzlos gewordener Adel, sogar Beamte wurden unterstützt. Weiterhin waren die Hilfen den "verschämten Armen" vorbehalten. Davon abgesehen wurde ein Teil der Erträge an Menschen ausgegeben, deren direkte Not offensichtlich war: Tagelöhner, Alte und Kranke, unversorgte Kinder.
Die Siftung wird noch heute im Sinne des Stifters Rudolph von der Tinnen selbständig verwaltet. Seit 1938 ist die Zugehörigkeit zur katholischen Religion nicht mehr Bedingung für die Bittsteller. Es reicht das Bekenntnis zu einer christlichen Konfession.


Johann Georg Rave 1737

Abschrift des Testaments von Johann Georg Rave von 1737 [Bildnachweis]
Johann Georg Rave war Geistlicher am Alten Dom in Münster. Seine Stiftung geht auf sein Testament aus dem Jahre 1737 zurück, wonach unter anderem an jedem Freitag im Monat Unterstützungen an 13 arme Greise auszuzahlen waren.
Im Jahre 1749 wurde das Stiftungsvermögen durch das Vermächtnis seiner Schwester Maria Sybilla Magdalena Rave erhöht. Einen Teil ihres Vermögens hatte sie der seit 1748 bestehenden Stiftung Kuhefues vermacht, die der ehemalige Dechant des Kirchspiels Ludgeri Johann Henrich Kuhefues zur Unterstützung Armer gegründet hatte. 1809 wurden beide Stiftungen unter der Verwaltung der Armenkommission zusammengefasst.



Dr. Arnold Anton Adam Jungeblodt 1753

Wappen der Familie Jungeblodt im Fenster der Rüstkammer des Rathauses [Bildnachweis]
Der Jurist Dr. Arnold Anton Adam Jungeblodt erklärte in seinem Testament vom 20. September 1753 die Hausarmen der Stadt Münster zu seinen Universalerben, "umb für mich, meine Herzallerliebste ehefraw, elteren und vorelteren Gott zu bitten ..."
Für eine angemessene Verteilung sollten die jeweiligen Pfarrer der münsterschen Kirchen Aegidii, Lamberti, Ludgeri, Martini und Überwasser sorgen. Die Verwaltung lag später beim bischöflichen Generalvikariat. 1810 ging sie mit der Übertragung auf die Armenkommission in städtische Hände über.
Grundsätzlich sollten die Exekutoren - so bestimmte es der Stifter - ihr Amt "zur größeren ehre Gottes" ausüben, ungehindert und stets zum Wohle der Armen. Andernfalls würde bei Zuwiderhandlung "solches im Himmel schreien".
Die Stiftung Jungeblodt galt noch um die Wende zum 20. Jahrhundert neben der Stiftung Siverdes als eine der reichsten Kapitalstiftungen. Zur Vereinfachung der Verwaltung wurde das Vermögen der Stiftung Jungeblodt mit dem Vermächtnis des Kanonikers Brinkmann vereinigt. Brinkmann hatte in seinem Testament die Unterstützung armer Familienangehöriger verfügt. Die Inflation der zwanziger Jahre hat das Vermögen der Stiftung Jungeblodt-Brinkmann jedoch weitgehend aufgezehrt.


Dr. Friedrich Christian Siverdes 1768

Testament Siverdes, Unterschriften des Stifters und der sieben Zeugen [Bildnachweis]
Die Stiftung des fürstbischöflichen Beamten Dr. jur. Friedrich Christian Siverdes (1693-1768) war ursprünglich eine Mischform aus Familien- und Sozialstiftung. Das Testament regelte eine angemessene Versorgung der Hinterbliebenen, aber ausdrücklich nur bis zum dritten Verwandtschaftsgrad. Die Verwaltung des restlichen Stiftungskapitals wurde einem Geistlichen des Domkapitels übertragen und damit in kirchliche Hände gelegt. Den Kreis der Bedürftigen bildeten "die nothleidenden Arme". Die Erträge der Stiftung sollten
" fürnemblich unter die Armen Krancke" der Stadt verteilt werden.

Wer war Friedrich Christian Siverdes? Der ausgebildete Jurist trat nach seiner Promotion in den Dienst der Finanzverwaltung des Fürstbistums. Schon von Berufs wegen war Siverdes, der sein Leben lang Junggeselle geblieben ist, mit der sachgerechten Abfassung von Testamenten wohl vertraut.
Der Beginn der preußischen Verwaltung und die damit verbundene Auflösung des geistlichen Machtanspruchs brachte zunächst auch für die Verwaltung der Stiftung Siverdes eine Änderung der Zuständigkeiten mit sich. 1871 ging schließlich durch die Verzichtserklärung des Domkapitels die Verwaltung endgültig auf die städtische Armenkommission über. Damit wurde die aus privater Initiative entstandene Stiftung Siverdes in die öffentliche Armenfürsorge integriert.
Auch heute noch leistet die Stiftung Siverdes unter städtischer Verwaltung vielfältige Hilfe. So etwa in der Randgruppenarbeit der Stadt Münster bei der Förderung von Arbeitslosenprojekten, von Senioren- und Selbsthilfearbeit und der Unterstützung lernschwacher Schülerinnen und Schüler. An den Stifter Friedrich Christian Siverdes erinnert eine nach ihm benannte Straße im Kreuzviertel.


 letzte Seite
© 2000 Stadtarchiv Münster | Impressum | Sitemap top