Stadtarchivar Dr. Eduard Schulte erhielt im August 1914 den offiziellen Auftrag des Magistrats, eine Chronik zum Kriegsgeschehen in der Stadt Münster zu erstellen. Diese Kriegschronik liegt nicht mehr im Original, sondern nur in publizierter Form vor. Sie ist 1930 als Band VI der Reihe 'Quellen und Forschungen zur Gechichte der Stadt Münster' unter dem Titel Kriegschronik der Stadt Münster 1914/18 erschienen.
Die Aufzeichnungen setzen mit den Ereignissen am 23. Juli 1914 ein und enden am 29. Oktober 1918. Die 'Kriegschronik' bildet den ersten Teil eines umfangreichen Werks, das außer der Kriegszeit in Münster auch die sich anschließenden revolutionären Umbrüche behandelt. Der zweite Teil, die Münstersche Chronik zu Novemberrevolte und Separatismus, deckt mit den Monaten November und Dezember des Jahres 1918 das Ende des Krieges und den Beginn der Demobilmachung ab.
Im Vorwort der Druckversion erläutert Schulte das Projekt:
'Den Einfluß des Krieges auf das öffentliche und private Leben der Stadt Münster für die Nachwelt in Wort und Bild festzuhalten, erachtete der Magistrat alsbald nach der Mobilmachung für eine vaterländische und historische Pflicht, zu deren Erfüllung er den unterzeichneten Stadtarchivar mit der Führung einer Münsterschen Heimatchronik des Weltkrieges und mit der Sammlung von Münsterschen Kriegsbildern beauftragte. In der Kriegschronik [...] werden auf Grund amtlicher Akten, der Ortsberichte der hiesigen Tageszeitungen und eigener Beobachtungen alle wichtigen Begebenheiten des Kriegszustandes hiesiger Stadt in ihrer zeitlichen Folge verzeichnet. [...] In Ergänzung der Kriegschronik soll die Bildersammlung das interessante Leben und Treiben am Sitze des Stellvertretenden General-Kommandos des VII. Armeekorps und in einer so starken Garnison, wie sie Münster ist, im photographischen Bilde festhalten.
Die Basis der Chronik bilden damit amtliche Akten, Ortsberichte münsterischer Zeitungen und Beobachtungen des Verfassers. Die ihm wichtig erschienenen Begebenheiten des Kriegszustandes Münsters hielt er chronologisch fest. Er ergänzte seine Aufzeichnungen um eine beträchliche Bildersammlung. Außerdem sammelte er weiteres Dokumentationsmaterial wie Plakate, Flugblätter, Lagergeld, Karikaturen und private Aufzeichnungen.
Die Herausgabe der Druckversion verzögerte sich um etliche Jahre. Dies hatte finanzielle Gründe. Schulte bemühte sich zwischen 1927 und 1929 auch darum, Lücken in seinen Tagebüchern zu schließen. Verschiedene Umstände erschwerten dies. In der Inflationszeit waren umfangreiche Aktenbestände städtischer Registraturen in der Papiermühle gelandet, zahlreiche kriegswirtschaftliche Maßnahmen der Stadtverwaltung konnten nicht aktenmäßig niedergelegt werden und die Erinnerung an Einzelheiten der Kriegszeit war bereits stark verblasst. Darüber hinaus verloren aufgrund der Zeitungszensur die lokalen Nachrichten für die quellenmäßige Feststellung der geistigen Bewegungen des Heimatheeres sehr an Wert.
Neben den im Stadtarchiv vorhandenen Kriegsakten der Stadtverwaltung verwendete Schulte zur Darstellung der Pulverexplosion am 21. Dezember 1915, die als einziges Ereignis in der 'Kriegschronik' nicht chronologisch festgehalten, sondern als selbständiger Text dem Jahr 1915 angehängt wurde, Akten der Reichsarchiv-Nebenstellen Berlin und Spandau. Wegen der großen Menge an eigenen Notizen zur Kriegsgeschichte der münsterischen Bürgerschaft verzichtete er außerdem auf Nachrichten, die möglicherweise bei den zahlreichen staatlichen, kirchlichen und kommunalen Behörden Münsters sowie bei Verbänden und Vereinen zu finden gewesen wären. Im Gegensatz zu seiner Darstellung der Revolutionszeit berücksichtigte er auch keine Zeitzeugenberichte führender Männer.
Da neben der 'Kriegschronik' keine besondere Ortschronik - wie in den Jahren 1870 bis 1914 üblich - über das herkömmliche Stadtleben geführt wurde, tauchen auch gewöhnliche Tagesvorfälle ohne Kriegsbezug in den Aufzeichnungen Schultes auf. Ohne einen chronologischen Bericht über die städtische Verwaltung oder die Kriegsgeschichte einzelner Verwaltungszweige schreiben zu wollen, befasste sich der Autor vornehmlich mit der Stadtverwaltung und dabei besonders mit Personalnachrichten der städtischen Körperschaften und der städtischen Beamten.
Zu einzelnen Bereichen der münsterischen Kriegsverhältnisse, wie etwa der Gemeindefinanzen, der Kriegsfürsorge oder der Kartoffelversorgung, waren Schulte Dissertationen der münsterischen Universität bekannt, sowie ein Bericht des Stadtinspektors Johann Moritz über die Milchversorgung. Die wenigen Zeitungsaufsätze über die Ereignisse oder Zustände in Münster übernahm der Verfasser inhaltlich oder wörtlich.
Schultes Chronik stellt eine wertvolle Quelle für die Zeit des Ersten Weltkriegs dar. Sie ist vor allem sozial- oder alltagsgeschichtlich von hohem Wert. Schulte gibt Einblicke in die Lebensverhältnisse der Bevölkerung, die Stimmungs- und Versorgungslage sowie die verschiedenen Hilfsmaßnahmen. Zu beachten ist, dass die Chronik keine vergangene Wirklichkeit schildert, sondern die Sichtweise des Chronisten dokumentiert wird und dass damit auch eine bestimmte Erinnerungswirkung erreicht werden sollte. Die Kriegschronik hatte offiziellen Charakter und damit verboten sich kritische Töne. Chronik und Bildersammlung seien - so Schulte - eine köstliche Erinnerung für uns, denen es vergönnt ist, jeden Pulsschlag dieses gewaltigen deutschen Lebens mitzuerleben, und als getreuer Spiegel unserer großen Zeit eine wertvolle Quelle für ihre Beurteilung sein. Der Autor vertritt als Vertreter des wilhelminischen Bürgertums eine ausgeprägte nationale Anschauung, drückt aber auch Kritik an den Missständen etwa in der Versorgungslage aus. Auch zur militärischen Lage äußert er sich, spricht etwa von der 'Hölle von Verdun'. Inwieweit er kritischere Töne nachträglich eingefügt hat oder ob sie schon in der Ursprungsfassung vermerkt waren, lässt sich nicht mehr feststellen. Die Kriegschronik leidet trotz ihres Charakters als eindeutiger Traditionsquelle in ihrem Wert nicht so stark unter – durch die politische Haltung des Chronisten bedingten – Verfremdungen, wie die 1936 erschienene Chronik zur Novemberrevolution.
Neben den Chronikeinträgen machte Eduard Schulte selbst zahlreiche Fotos oder er sammelte sie von anderen Fotografen. In der Kriegschronik konnte nur eine Auswahl publiziert werden. Die Fotoauswahl begründete Schulte folgendermaßen:
'In Rücksicht auf die erheblichen Aufwendungen für die Illustrierung konnte aus der vielseitigen Sammlung von Kriegsfotos nur eine strenge Auswahl veröffentlicht werden; jedoch wurde wegen der unberechtigten Vorwürfe über die Behandlung der Kriegsgefangenen in deutschen Lagern das hiesige Lagerleben besonders breit dargestellt; dabei lag es nahe eine Bilderschau über die Völker der deutschfeindlichen Welt auf Grund ihrer Vertreter in den Münsterschen Lagern zu bieten.' (Schulte, Kriegschronik, S. VII)
In der Chronik finden sich daher viele Fotos vom kulturellen und sportlichen Lagerleben der Kriegsgefangenen mit Theateraufführungen, Spiel und Sport. Nur wenige Fotos existieren von ihren Arbeitseinsätzen. Die Porträt- und Gruppenaufnahmen hatten ebenfalls einen propagandistischen Hintergrund und sollten die typischen Vorurteile zu einzelnen Nationalitäten untermauern und die militärischen Gegner diskreditieren. Fotografien von Gefangenenmassen in den Lagern dokumentierten darüber hinaus den militärischen Triumph.
Neben den Kriegsgefangenen-Fotos hielt Schulte die Ausmärsche von Truppenverbänden besonders bei Kriegsbeginn umfangreich fest. Ebenso sind die städtische und private Unterstützung der Kriegsgesellschaft dargestellt. Die Fotos von Sammelaktionen oder arbeitenden Frauen dokumentieren die Unterstützung der so genannten Heimatfront.