Kriegschronik Münster im Ersten Weltkrieg

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1914 - Kriegsausbruch

Kriegsstimmung und Mobilmachung

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vergrößernMünster in Kriegsstimmung, Juli 1914

In den letzen Julitagen 1914 lastet eine ungeheuere Spannung auf dem öffentlichen Leben Münsters. Die Gefahr eines möglichen Krieges beschäftigt die Menschen sehr. Als Hauptstadt der Provinz Westfalen und als Standort des Generalkommandos des VII. Armeekorps, das große Teile Westfalens und der Rheinprovinz umfasst, ist Münster in jenen Tagen von zentraler Bedeutung. Ende Juli rücken erste Reservisten in die Kasernen ein.


Chronikeintrag vom 26. Juli 1914

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vergrößernBekanntgabe der Kriegsgefahr, Juli 1914

'Der Drang nach neuen Nachrichten trieb, am Nachmittage stärker als am Vormittage, die meisten aus ihren Häusern, wo sich, wie in den Wirtschaften, das Gespräch ausschließlich um die politische Lage drehte. Den Zeitungsträgerinnen wurden die Sonderblätter zum Teil mit Gewalt entrissen.'


Die patriotische Begeisterung erfasst nicht alle. Einige Bevölkerungsteile machen sich auch große Sorgen. Schon am 28. Juli registriert der Westfälische Merkur einen 'Ansturm auf die Sparkassen'. In Erwartung einer Lebensmittelknappheit kommt es zu Hamsterkäufen.

Chronikeintrag vom 27. Juli 1914

'Überängstliche Köpfe rennen seit dem frühen Morgen zur Sparkasse, um ihre Spargelder abzuheben, weil diese bei einem Kriege in Gefahr seien.'


Auf dem Prinzipalmarkt warten die Menschen auf Neuigkeiten.

Chronikeintrag vom 1. August 1914

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vergrößernMenschenansammlung auf dem Prinzipalmarkt, 1. August 1914

'Mehr denn je war in diesen Stunden der Prinzipalmarkt der Brennpunkt des ganzen Lebens und Treibens unserer Stadt. Von der Sonne hell beschienen, füllt eine gewaltige Menschenmenge den Markt bis zum letzten Winkel. Über den Michaelisplatz an der dortigen Geschäftsstelle des ,Münsterischen Anzeigers’ sich durchzudrücken, ist lebensgefährlich. Der Wagenverkehr muß sich zumeist andere Wege suchen. Die Straßenbahn kann ihren Schienenstrang nur mit Mühe frei machen. Die Aufregung wächst mit jeder Minute, die Spannung steigt bis zum Siedepunkte, die Nervosität steigert sich unter dem aufpeitschenden Einflusse tollster Gerüchte bei manchem bis zur Hysterie.'


Zur Vorbereitung der bevorstehenden Mobilmachung rücken Reservisten der in Münster stationierten Regimenter des Kürassier-Regiments Nr. 4, des Infanterie-Regiments Nr. 13 und des Feldartillerie-Regiments Nr. 22, in die Kasernen ein.

Chronikeintrag vom 1. August 1914

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vergrößernInfanterie-Soldaten marschieren in die Aegidiikaserne, Ende Juli 1914

'Noch mehr schwand gar manchem hier die Hoffnung auf Frieden, als bereits am Vormittag Reservisten des Kürassierregiments eintrafen, die gestern Abend und während der Nacht durch Einzeltelegramme zu einer sofortigen Übung einberufen waren.'

'Aus der Provinz kamen mit den Mittagszügen bereits Infanteriereservisten an, freiwillig, um bei der von ihnen als unvermeidlich angesehenen Mobilmachung rechtzeitig zur Stelle zu sein.'


Auch auf den Ferienverkehr hat die Kriegsgefahr Auswirkungen. Zivilpersonen brechen ihre auswärtigen Aufenthalte ab und reisen überstürzt nach Hause. Trotz Sonder- und Gepäckzügen sind die Bahnen überfüllt, es gibt stundenlange Verspätungen. Münsters Hauptbahnhof ist voll von Menschen.

Chronikeintrag vom 1. August 1914

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vergrößernMenschensammlung vor dem Bahnhof am 1. August 1914

'Aus der Provinz kamen mit den Mittagszügen bereits Infanteriereservisten an, freiwillig, um bei der von ihnen als unvermeidlich angesehenen Mobilmachung rechtzeitig zur Stelle zu sein. [...] Die Züge waren überfüllt. Aus Bädern und Sommerfrischen, von Rundreisen und Besuchsfahrten reisten Tausende mit Kindern und Koffern Hals über Kopf in die Heimat. [...] Halle und Vorplatz unseres Hauptbahnhofes, der als Knotenpunkt von sieben Eisenbahnlinien unter diesem Massenandrang sich als zu klein erwies, waren schwarz von Menschen.'


Mobilmachung

Am Abend des 1. August 1914 informiert eine Bekanntmachung des Kommandierenden Generals des VII. Armeekorps die Bevölkerung über die Erklärung des Kriegszustandes. Der kommandierende General wird damit zum eigentlichen Träger der staatlichen Macht in seinem Korpsbezirk und übernimmt die vollziehende Gewalt. Zivilverwaltungen haben den Weisungen des Generalkommandos Folge zu leisten. Zahlreiche Anordnungen greifen in das allgemeine öffentliche Leben ein: Vorverlegung der Polizeistunde, Einschränkung des Alkoholausschanks, die vorübergehende Sperrung des Fernsprechverkehrs. Unpatriotisches Verhalten prangern die Militärbehörden an.
Am 27. November 1914 erfolgt die Verhängung eines verschärften Belagerungszustandes. Die Militärbefehlshaber überwachen das politische Lebens durch eine Zensur der Presse und des Nachrichtenwesen. Das Generalkommando schaltet sich auch in wirtschafts- und sozialpolitische Aufgaben ein. Militärische Dienststellen erfahren einen starken Ausbau.

Am 2. August wird gegen 11 Uhr in Münster bekannt, dass sich das Deutsche Reich mit Russland im Kriegszustand befindet. Diese Nachrichten lösen stürmische Begeisterung aus und werden nach den Ungewissheiten und widersprüchlichen Meldungen der letzten Friedenstage wie eine Erlösung empfunden. Nur eine Minderheit fühlt sich in Endzeitstimmung und Zweifel gesetzt. Die Mehrheit ist überzeugt, dass der Krieg nur kurz und außerdem siegreich für das Deutsche Reich enden wird.

Chronikeintrag vom 1. August 1914

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vergrößernAufruf des Kaisers zur Mobilmachung am 2. August 1914

'Da brach mit urgewaltiger Kraft die beispielloseste Begeisterung unaufhaltsam und übermächtig hervor.'


Chronikeintrag vom 2. August 1914

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vergrößernMobilmachung! 2. August 1914

'Zu Fuß oder in Wagen kamen die einberufenen Mannschaften aus den nahe gelegenen Ortschaften, aus der Ferne die Reservisten und Landwehrmänner mit den Eisenbahnen. Mit dem Reservistenköfferchen oder einer Pappschachtel marschierten große Trupps Einberufener zum Gestellungspunkt. Dann zogen fertig eingekleidete Abteilungen von den Kasernen mit aufgepflanzten Bajonetten zu den Waffenschmieden, um sie dort schleifen zu lassen.'


Chronikeintrag vom 2. August 1914

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vergrößernMarsch der Kürassiere, 2. August 1914

'Tiefsten Eindruck machte dann in den Abendstunden der Ausmarsch unserer Kürassiere. Hunderte einheimische und viele auswärtige Angehörige hatten die Kaserne vor dem Neutor schon stundenlang umlagert. Gegen ½ 7 Uhr rückte als erste Abteilung die 4. Schwadron unter dem Rittmeister Freiherr Alfred von Landsberg-Belen aus. [...] Der Ritt durch die Frauenstraße, den Spiekerhof, über Roggen- und Prinzipalmarkt und weiter durch die Ludgeristraße über den Ludgeriplatz und die Hafenstraße bis zur Güterrampe glich einem Triumphzuge.'


Chronikeintrag vom 2. August 1914

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vergrößernPferde auf dem Weg zur Musterung, 1914

'Aus den Dörfern und Bauerschaften trabten schon in früher Morgenstunde die Pferde einzeln oder koppelweise zur Musterung auf dem Neuplatz.'


Chronikeintrag vom 3. August 1914

'Auf den Straßen, Plätzen und Bahnhöfen, in den Kasernen und militärischen Büros herrschte geschäftiges Leben und Treiben. Bei den Zeughäusern lagen große Mengen von Stiefeln, Schuhen, Waffenröcken, Hosen, Mänteln und Tornistern aufgeschichtet. Die Umkleidung erfolgte unter freiem Himmel. Auch zahlreiche Kriegsfreiwillige füllten die Straßen und warteten stundenlang auf ihre Annahme. Selbst gediente längst nicht mehr landwehr- und landsturmpflichtig Herren meldeten sich hier zur Fahne.'


Angst vor Spionen

In den ersten Kriegstagen herrscht große Furcht vor ausländischen Spionen, was ein kaum nachvollziehbares Misstrauen gegenüber allen Fremden hervorrief. Diese Hysterie wurde durch die unwahrscheinlichsten Gerüchte und Falschmeldungen der Presse angeheizt, die in der Stadt kursierten. Es seien Agenten unterwegs, um das Trinkwasser zu vergiften. Große Goldlieferungen würden, als Alteisenexporte versteckt, von Frankreich aus durch das Deutsche Reich nach Russland transportiert. Übereifrige Spaziergänger glauben mehrfach, feindliche Saboteure in der Kanalisation zu beobachten.

Chronikeintrag vom 4. August 1914

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vergrößernMenschenansammlung aus Angst vor Spionen, August 1914

'Am frühen Nachmittag verbreitete sich dann das Gerücht, der Spion, ein Russe, habe sich von der Neubrückenstraße aus durch das Aabett in einen Straßenkanal geflüchtet. Halb Überwasser und zahlreiche Mitbürger aus den anderen Stadtteilen waren auf den Beinen.'


Chronikeintrag vom 4. August 1914

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vergrößernSpionensuche, 4. August 1914

'Zuerst warteten viele vor dem Krawinkelschen Hause am Spiekerhof, weil der angeblich inzwischen festgenommene Attentäter dort herausgebracht werden sollte, bis plötzlich jemand meldete, der Spion habe sich in den unterirdischen Kanal an der Rosenstraße geflüchtet und noch eben aus dem Loch bei der Ausweiche der Straßenbahn geguckt. Tatsächlich lag, als das ganze Volk dorthin lief, der Verschlußdeckel schief. [...] Während das städtische Tiefbauamt um sofortige Entsendung von Sachkundigen der Kanalanlagen ersucht wurde, eilten ein Unteroffizier und sechs Mann von der Ägidiiwache auf Fahrrädern zur Rosenstraße. Der Unteroffizier und ein freiwillig sich anschließender nagelneu eingekleideter Landwehrmann stiegen, mit Armeerevolvern und einer elektrischen Taschenlaterne bewaffnet, in den Schacht und drangen in den Kanal vor. Als bald darauf unten Schüsse fielen, glaubte die in größter Aufregung wartende Menge, es spiele sich ein unterirdischer Kampf ab [...]. Nach etwa 5 Minuten aber wurde die Jagd aufgegeben, weil gemeldet wurde, der Spion befinde sich auf dem Wege zum Kanalausgang. Sofort stürmten Zuschauer und Militär zur Nepomuk-Aabrücke am Spiekerhof. Die Wache und einige beherzte Männer besetzten den Kanalausgang. Die Straßenjungens bewaffneten sich mit Steinen und setzten sich auf die Brücke und die beiderseitigen Ufer der Aa. Fast eine Stunde wartete man so vergeblich. Als vom Schloßplatz und gleichzeitig von der Eisenbahn die Verhaftung dieses Spions gemeldet wurde, gingen viele fort.'



 

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