Aus der Frühzeit des Clemenshospitals stammt ein für Münster bislang einmaliger Fundkomplex. Auf einer Grundfläche von 45 m2 wurden 50 Bestattungen freigelegt, die in fünf Lagen übereinander in kurzer Folge begraben worden waren. Der im 18. Jahrhundert angelegte Friedhof reichte wahrscheinlich bis an die südliche Außenmauer des Barbaraflügels heran.
Fast alle Bestattungen zeigten ungewöhnliche Merkmale: Die meisten Körper lagen in Ost-West-Richtung, fünf von ihnen waren Nord-Süd ausgerichtet. Lediglich 60 % der Körper waren in einem Sarg bestattet, die anderen wurden einfach in einem Tuch beigesetzt. Drei Körper wurden auf dem Bauch liegend vorgefunden, die anderen lagen auf dem Rücken. Für einen ca. 1,80 m großen Verstorbenen war die Grabgrube zu kurz ausgehoben worden. Der Körper wurde auf dem Rücken in die Grube gelegt und seine Unterschenkel nach oben gebogen. Ein anderer Körper, der auf dem Bauch liegend aufgefunden wurde, ist anatomisch untersucht worden. Der Schädel war fachmännisch geöffnet worden. Die abgetrennte Schädeldecke fand sich auf der rechten Seite innerhalb des Brustkorbs. Bei einer weiteren Bestattung kam zwischen den Oberschenkeln eine Schüssel zutage, die dem Toten mit ins Grab gegeben worden war. Hier liegt die Vermutung nahe, dass in der Schüssel Organe lagen, die dem Toten zuvor bei einer Untersuchung entnommen worden waren. Die Untersuchung aller Knochen ergab, dass die Bestatteten fast ausnahmslos männlich und überwiegend mittleren Alters (30 - 45) waren. Nach Auskunft der Anthropologen zeigten ihre Skelette die alters üblichen degenerativen Erscheinungen.
Der archäologische Befund erhält seine Brisanz dadurch, dass nach 1808 offiziell keine Bestattungen mehr innerhalb der Stadt Münster vorgenommen werden durften. Nach den Akten stellte das Clemenshospital weder Räumlichkeiten noch Leichen für anatomische Untersuchungen zur Verfügung. Daher ist es nach diesem Befund gut denkbar, dass die Barmherzigen Brüder, die früher neben der Arzneikunst auch die Chirurgie professionell ausübten, an den Verstorbenen Forschungen unternahmen und auch den ärztlichen Nachwuchs schulten. Da sie immer unter Geldmangel litten und eine reguläre Bestattung teuer war, mussten sie die Verstorbenen ihres Hospitals, die oft fremd und ohne Angehörige waren, wohl heimlich im Krankenhausgarten beisetzen.
Bei der Dokumentation der Bestattung 445 fanden sich eindeutige Hinweise auf eine anatomische Untersuchung: die Schädeldecke war abgetrennt und wurde der Leiche bei der Beerdigung im geöffenten Brustkorb mitgegeben.
Foto: Stadt Münster/ Städtische Denkmalbehörde, M. Mallett, U. Steinborn, St. Winkler