Stadt Münster: Die Ausgrabungen auf dem Parkplatz an der Stubengasse 1997 bis 1999

Zwischen Clemenskirche und Klarissenkloster

Die Ausgrabungen auf dem Parkplatz an der Stubengasse 1997 bis 1999

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"Buten und Binnen"

Höfe und Hinterhöfe zwischen Loerstraße und Stubengasse

Mathias Austermann

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Bereits bevor die eigentliche archäologische Arbeit beginnt, liefern die Forschungen zur Stadtgeschichte wichtige Informationen. Dies gilt auch für das Areal an der Stubengasse. Die Auswertung der schriftlichen Quellen zwang die Historiker geradezu zu der Schlussfolgerung, hier die mittelalterlichen Höfe "Nerdinck" und "Eschhues" zu lokalisieren, die vermutlich zur Gründungsausstattung des Bistums am Ende des 8. Jahrhunderts gehörten.

Die Ausgangslage war also spannend: Die hoffnungsfrohen Archäologen konnten erwarten, in den ältesten Schichten der Grabung die Überreste eines Hofes aus der Zeit der Bistumsgründung, eventuell sogar ältere Vorgänger zu finden. Sie suchten – selbstverständlich erst nach sorgfältiger Abnahme der jüngeren Schichten – intensiv nach diesen von zeitgleichen westfälischen Fundorten (Warendorf, Gittrup und andere) gut bekannten Hofresten aus der Zeit der Sachsenkriege Karls des Großen. Neben den eingetieften Pfosten des Haupthauses sollten sich Nebengebäude und einige der ursprünglich etwa einen Meter in den Boden eingegrabenen Grubenhäuser finden lassen. Bei einer durchschnittlichen Lebensdauer der Holzbauten von nicht einmal 100 Jahren und einem Zeitraum von etwa 400 Jahren (800-1200) hätte bei normalen Erhaltungsbedingungen eine größere Zahl dieser Gebäude nachweisbar gewesen sein müssen.

Dies war aber nicht der Fall. Es gab keine sich überlagernden Reihen von Pfostenstellungen, kein einziges Grubenhaus, kein üblicherweise dazugehörender Holzkastenbrunnen, keine sächsischen oder fränkischen Funde – nichts, was auch nur ungefähr in diese Zeit passen könnte. Die ältesten datierbaren mittelalterlichen Spuren stammten eindeutig aus dem 12. Jahrhundert.

Warum fand sich nichts dergleichen? Sollten die Reste der alten Höfe großflächig von der nachfolgenden Bebauung entfernt oder in den Grabungsschnitten einfach nicht erfasst worden sein?

Beides ist mit hoher Sicherheit auszuschließen. In die an einigen Stellen noch erhaltene natürliche Oberfläche, die fast drei Meter unter der Asphaltdecke liegt, wurden nicht nur die Pfosten der Gebäude des 13. Jahrhunderts eingegraben, hier fanden sich auch die wesentlich älteren Reste eines Hauses aus der Zeit um Christi Geburt. Sie hätten dann ebenfalls fehlen müssen. Und auch wenn wirklich alle Bebauungsspuren zerstört worden wären, einige Funde aus karolingischer Zeit müssten sich, wenn auch umgelagert, in jüngeren Schichten erhalten haben.

Grundherrschaftliche Höfe aus der Zeit der Bistumsgründung an Loerstraße oder Hundestiege sind deshalb praktisch auszuschließen.

Hilfreich ist an dieser Stelle ein nochmaliger Blick in die wenigen Urkunden. Vom "Nerdinck"-Hof ist bekannt, dass zu ihm Grundstücke "binnen und buten" der Stadt Münster gehörten. Liegt die Hofstätte nicht "binnen" der Stadt an der Loerstraße, so ist sie wohl "buten" zu suchen, am ehesten in der Nähe von St. Mauritz, denn ein Teil des Hofbesitzes wird von Bischof Friedrich I. um 1080 dem neu gegründeten St. Mauritius-Stift geschenkt. Johan Nießinck dürfte also um 1250 nicht die Hofstelle, sondern nur eine große, unbebaute Parzelle aus dem Grundbesitz des Hofes "Nerdinck" gepachtet haben.

Ganz Ähnliches ist auch für das "Eschhues" zu erschließen: Auch dieses hat noch im 15. Jahrhundert Besitz "binnen und buten" der Stadtmauern. Nimmt man den Namen "Eschhues" beim Wort, müsste der Hof auf einem Esch, also einem mit Plaggen gedüngten Flurstück gelegen haben, am ehesten südlich der Stadt beim Hof "Everharding", dem späteren Haus Geist. Hier jedenfalls ist der Flurname "Eskhues" belegt.

Nur die beiden nun innerstädtisch gelegenen Parzellen von "Nerdinck" und "Eschhues" tragen im Spätmittelalter noch die Namen ihrer Höfe, die längst in anderen Grundherrschaften (St. Mauritz, Haus Geist) aufgegangen sind. Die in der Grabung gewonnenen Informationen schärfen das in den Schriftquellen gezeichnete Bild somit entscheidend. Beide Althöfe müssen weit außerhalb der nachmaligen Stadtmauer gelegen haben. Nur das Vieh graste bis weit in das 12. Jahrhundert hinein auf den leicht sumpfigen Wiesen an einem unbedeutenden Feldweg, den man später Loerstraße nennen wird.


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