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Provisoren und Amtmänner
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Aufnahme von Armen
Rentengeschäfte
Wirtschafts- und Rechnungsführung
Streitschlichtung und Bestrafung
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Namen der Kinderhauser Provisoren Herman Soest und Johan Hannasch, 1647
[Bildnachweis] |
Der jeweilige Träger eines Armenhauses setzte Provisoren
und Amtmänner ein, die für die Verwaltung der Institution
zuständig waren. Ihre Aufgaben betrafen die
Aufnahme von Armen, den Abschluss von Rentengeschäften,
die Buchführung und Rechnungslegung sowie die Streitschlichtung
und Bestrafung der Bewohnerinnen und Bewohner bei
Übertretung der Hausordnung. Im Magdalenenhospital, im Antoniushospital
und im Leprosorium Kinderhaus versahen je zwei Mitglieder des Rates
das Amt der Provisoren. Zu ihrer Entlastung bestellte der Rat
außerdem je einen Amtmann, der die Verwaltungsaufgaben
zum Teil selbständig erledigte, jedoch der regelmäßigen
Kontrolle der übergeordneten Provisoren unterlag. Die Provisoren
wurden in diesen drei Institutionen nur bei besonderen Anlässen
tätig. Anders verhielt es sich in den übrigen Armenhäusern.
Dort oblag den bestellten Provisoren, die in der Regel aus der Bürgerschaft
stammten und zu zweit amtierten, die Verwaltungstätigkeit.
Das Provisorat war ein Ehrenamt, während die Amtmänner eine
Bezahlung erhielten. Erst seit 1636 erhielten die Provisoren eine Prämie
von 3% der eingegangenen rückständigen Renten als Entlohnung
für ihre Mühe. Auf diese Weise schuf der Rat einen finanziellen
Anreiz, die im Dreißigjährigen Krieg seit längerem
ausgebliebenen Renten einzutreiben.
Um einem Amtsmissbrauch vorzubeugen, waren Provisoren und
Amtmänner für selbst verursachte Schulden mit ihrem
eigenen Vermögen haftungspflichtig.
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Aufnahme von Armen
Über die Aufnahme von Armen entschieden in der Regel
die Provisoren. Der Verlauf solcher Aufnahmeverfahren wird in den
Quellen nicht beschrieben. Es ist aber bekannt, dass die
Provisoren für die Sicherung des Anfallsrechtes verantwortlich
waren. Sie mussten jeden Neuankömmling vor Eintritt in das
Armenhaus verpflichten, sein mitgebrachtes Hab und Gut nach seinem
Tod dem Armenhaus zu hinterlassen. Darüber hinaus hatten sie
zu prüfen, ob die Anwärterin oder der Anwärter im
Besitz des Bürgerrechts war, ohne das eine Aufnahme nicht
möglich war. Das Magdalenenhospital vergab neben den
unentgeltlichen Armenpfründen auch die sogenannten
Oberpfründen. Vermögende Bürgerinnen und
Bürger erwarben mit einer Oberpfründe, für die
sie 100 Reichstaler oder eine andere vereinbarte Summe Geld zu
zahlen hatten, einen Anspruch auf bevorzugte Unterbringung und
Verpflegung. Die zu zahlende Geldsumme handelten die Provisoren
mit den Interessenten aus.
Die Pesthäuser in Überwasser, Lamberti und Martini
beschränkten die Aufnahme auf Kranke aus demjenigen Kirchspiel,
in dem die Elende lag. In der Aegidii-Elende fanden die Pestkranken aus
dem übrigen Stadtgebiet Aufnahme (Kirchspiele Aegidii, Ludgeri
und Servatii).
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Rentengeschäfte
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Rentenregister im "Lagerbuch" des Armenhauses zur Aa
[Bildnachweis] |
Als bevollmächtigte Vertreter der Armenhäuser waren
die Provisoren dafür verantwortlich,
das Vermögen des Armenhauses zu verwalten und möglichst
zu vermehren. Hatten sie überschüssiges Kapital zur
Verfügung, legten sie es in Rentengeschäften zum
"Nutzen und Besten der Armen" an. Sie legten Rentenregister
an, mit deren Hilfe sie die Aufsicht über die regelmäßigen
Renteneingänge führten. In diesen Registern waren die
Namen und Adressen der Rentenzahler verzeichnet, sowie die Höhe
der zu zahlenden Rente und die Zahlungstermine. Anhand der Register
konnten die Provisoren und Amtmänner feststellen, wer seine Rente nicht bezahlt hatte,
und sich um die Eintreibung der "Restanten", der schuldig
gebliebenen Zahlungen kümmern.
Da die Verwaltung der Rentengeschäfte
zunehmend mehr Zeit der Provisoren beanspruchte, wurde sie im
16. Jahrhundert in vielen Armenhäusern an einen zusätzlichen
Bediensteten, den sogenannten Emonitor (Mahner, Einnehmer) delegiert.
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Wirtschafts- und Rechnungsführung
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Rechnungsbuch des Armenhauses zur Aa, 1562, Titel
[Bildnachweis] |
Im Magdalenenhospital war der Amtmann für die
Wirtschafts- und Rechnungsführung verantwortlich. Er nahm zum
Beispiel das von den Pfründnern eingebrachte Geld und Gut
entgegen und kümmerte sich darum, dass das Hospital
die ihm zustehenden Zehnt- und Pachtabgaben fristgerecht erhielt.
Er verzeichnete alle Einnahmen und Ausgaben in den Rechnungsbüchern,
die jährlich von den beiden Provisoren sowie einer Abordnung weiterer
Ratsherren geprüft wurden. Eventuelle Defizite hatte der Amtmann
zunächst aus eigener Tasche auszugleichen. Er erhielt die vorgestreckte
Summe später zurück.
In denjenigen Armenhäusern, in denen kein Amtmann
beschäftigt war, waren die Provisoren für die
Wirtschaftsführung zuständig. Sie waren den
jeweiligen Trägern ihrer Institutionen rechenschaftspflichtig.
In einigen Armenhäusern erfolgte die Rechnungslegung jährlich,
in anderen in längeren, unregelmäßigen Abständen.
Beim Tod eines Amtmannes oder Provisors übernahmen häufig
deren Ehefrauen die Aufgaben bis zum Ende des Rechnungsjahres oder bis
ein neuer Verantwortlicher beauftragt wurde. So verpachtete etwa die Witwe
des Amtmannes Üding aus dem Antoniushospital 1735 mehrere
Stück Land. Ein Jahr später begutachtete sie zusammen mit
den Provisoren den baulichen Zustand eines Hauses in Hiltrup, welches
dem Hospital gehörte, und verfasste einen schriftlichen
Bericht an den Rat.
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Streitschlichtung und Bestrafung
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Hausordnung des Leprosoriums Kinderhaus, um 1593, Titelblatt
[Bildnachweis] |
Kam es unter den Bewohnerinnen oder Bewohnern eines
Armenhauses zum Streit, war es die Aufgabe der Provisoren,
die Streitenden anzuhören und den Streit zu schlichten.
Gefährdete eine Person den Hausfrieden nachhaltig,
hatten die Provisoren die Befugnis, strafend einzugreifen.
Die Hausordnung des Magdalenenhospitals nennt als
strafwürdige Vergehen die Trunkenheit, das Fluchen
und das Zanken. Die übliche Strafe war der Entzug der
Pfründe. Je nach dem, wie schwerwiegend das Vergehen
war, wurde die Strafe für wenige Tage, einige Wochen
oder auch einige Monate ausgesprochen. Die Höchststrafe
für besonders schwere Fälle bestand im endgültigen
Verlust des Platzes im Armenhaus. Vermutlich verhängten die
Provisoren die Strafe des Verweises nicht eigenverantwortlich,
sondern in Absprache mit dem jeweiligen Träger der Institution.
Da die Überlieferung nur spärliche Hinweise auf Streitigkeiten
und Vergehen in den Armenhäusern enthält, lässt
sich die tatsächliche Strafpraxis kaum rekonstruieren. So ist
beispielsweise nicht bekannt, ob ein Armer, dem die Pfründe für
wenige Tage entzogen wurde, das Haus verlassen musste oder seine
Unterkunft behalten konnte. Unbekannt ist auch, ob die Provisoren andere
als in den Hausordnungen festgehaltene Strafen verhängten. Aus
dem Magdalenenhospital ist bekannt, dass eine Ausweisung zwar
mitunter ausgesprochen, aber nicht in jedem Fall vollzogen wurde. Auf
Bitten von Freunden und Verwandten räumte man ausgewiesenen
Pfründern Verpflegung und Unterkunft in manchen Fällen
wieder ein.
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