Die Künstlerfamilie Mazzotti
Eine Gedenktafel am Haus Bergstraße 50 erzählt, dass sich dort über Jahrzehnte das Atelier der Künstlerfamilie befand. Viele Spuren haben die Mazzottis im Laufe der Jahre in Münster hinterlassen. Der umfangreiche Nachlass der Familie mit Rechnungsbüchern, Fotos, unzähligen Zeitungsartikeln und sogar einigen Originalen aus den Werkstätten der Mazzottis lagern heute im Stadtmuseum Münster. Michelle hat mit Unterstützung von Dr. Bernd Thier, Wissenschaftler am Stadtmuseum, zu der Künstlerfamilie geforscht.
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Pietro Mazzotti — Über die Alpen nach Norden
Seine Reise nach Deutschland war ein abenteuerlicher, langwieriger und anstrengender Marsch über die Alpen: Pietro Mazzotti wurde 1838 in Coreglia im Herzogtum Lucca in der Toskana geboren und ließ sich als 19-Jähriger 1857 einen Pass ausstellen, um nach Deutschland auszuwandern.
Als er sich schließlich auf deutschem Boden befand, ließ er sich zunächst in der Nähe von Krefeld nieder. Seit 1865 findet man ihn aber nach Dokumenten im Stadtarchiv in Münster. Kurz nachdem er 1889 das Bürgerrecht gegen eine Zahlung von 18,50 Mark erworben hatte, heiratete er die Münsteranerin Theresia Horsthemke, mit der er vier Kinder — zwei Jungen und zwei Mädchen — bekam.
Der Gipsgießer Mazzotti
Im Jahr 1873 gründete er mit einem italienischen Partner die Firma Gaddini-Mazzotti, die sich vorrangig auf das Vervielfältigen mit Gips konzentrierte.
Die Arbeiten Pietro Mazzottis genossen bald hohes Ansehen. Neben Originalabgüssen von Werken berühmter Bildhauer warb der Italiener anlässlich des Besuchs von Kaiser Wilhelm II im Jahr 1907 mit Gipsbüsten des Herrschers in verschiedenen Größen.
Wie nachfolgende Generationen zeigen, ist das Bewusstsein der Herkunft in der Familie Mazzotti immer lebendig geblieben, da sie das Italienische als Zweitsprache pflegten und auch später Besuche in die Heimat jenseits der Alpen unternahmen.
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Albert Mazzotti Senior — Der Schöpfer von über 200 Plastiken und Skulpturen
Die Plakette des Kardinals von Galen, der Judas Thaddäus in der Lambertikirche und die Büste des Reichsfreiherrn vom Stein auf Schloss Cappenberg - das Werkverzeichnis des münsterschen Bildhauers Albert Mazzotti (sen.) ist sehr lang. Er war im ganzen Münsterland bekannt, doch sein Leben begann eher bescheiden:
Als ältestes von vier Kindern der jungen Eheleute Theresia und Pietro Mazzotti wurde er am 25. Januar 1882 in Münster geboren. Nachdem er schon von seinem Vater Kunstunterricht erhalten hatte, konnte Mazzotti (1882-1951) bereits auf der Volksschule Erfolge verzeichnen — er bekam eine Bronzemedaille für seine Zeichenkunst. So besuchte er nach seinem Schulabschluss die Bildhauerklasse in der Schule für Kunst und Handwerk in Münster und lernte dort von dem damals bekannten Bildhauer Anton Rüller. Nach bestandener Abschlussprüfung schrieb er sich im Jahre 1906 an der Akademie der Bildenden Künste in München ein.
Daheim in Münster
Nach einigen Studienreisen durch Deutschland und Italien, dem Heimatland seines Vaters zog es ihn nach Münster zurück. Er arbeitete von diesem Zeitpunkt an mit dem Anatomieprofessor Dr. Brodersen zusammen. Dabei lernte er plastische und zerlegbare Modelle von menschlichen Organen und Körperteilen zu erschaffen. Er war später durch dieses Wissen unter anderem auch in der Lage, Totenmasken mit Ohren abzunehmen (z.B. Kardinal von Galen 1946).
Sein eigentlicher und dann auch sehr rascher Aufstieg in Münster begann 1914. Seine Fähigkeit, die charakteristischen Eigenschaften der darzustellenden Personen zu erfassen und naturgetreu nachzubilden, war dabei unerlässlich. Als Bildhauer war er in allen Bereichen tätig, egal ob Büste, Denkmal, Plakette oder Architekturplastik. So entstanden durch seine Hände über 200 Arbeiten.
Noch während seiner Zeit als Soldat im Ersten Weltkrieg, heiratete er Anna Bleeker, die Schwester seiner berühmten Bildhauerkollegen Bernhard und Hermann Bleeker. Für Münster ist der Künstler Albert Mazzotti (sen.) unter anderem bedeutend, weil er die Freie Künstlergemeinschaft Schanze in Münster 1919 mitbegründete. Im Jahr 1925 verfolgte er zudem eine Lehrtätigkeit am „Instituto Cesare Battisti“ in Triest (Italien). Seit 1919 sicherten zudem anatomische Modelle, die von wissenschaftlichen Instituten gekauft wurden, seinen Lebensunterhalt. Die Preise dieser Modelle reichten von 30,50 Mark für das Gehirnmodell bis zum 600-Mark-teuren Modell der Nerven und Arterien des Beines.
Die NS-Zeit und der Zweite Weltkrieg
1944 war für den Künstler ein folgenschweres Jahr. Einerseits wurde ihm der NS-Gau-Kulturpreis Westfalen-Nord verliehen, andererseits wurde sein Atelier an der Kirchherrengasse durch einen Bombenangriff zerstört. Ab 1944 war Mazzotti für vier Jahre Patient in einem Krankenhaus in Meschede, was ihn jedoch nicht davon abhielt 1946 die Totenmaske des Kardinals Clemens August von Galen anzufertigen. Er starb am 14. Februar 1951 nach langer Krankheit in Münster. Sein Sohn Albert (jun.) (1921-2008) wurde später ebenfalls Bildhauer.
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Albert Mazzotti Junior — In den Fußstapfen des Vaters
In der Nachfolge des Vaters führte er zahlreiche sowohl private wie auch öffentliche Aufträge aus. Eines seiner bekanntesten Werke in Münster ist das Kiepenkerl-Denkmal.
Albert Junior ist Sohn des Bildhauers Albert Mazzotti (sen.) und seiner Frau Anna (geb. Bleeker). Er wurde am 29. August 1921 in Münster geboren. Er lernte in der väterlichen Bildhauerwerkstatt seinen späteren Beruf und machte 1940 sein Abitur. Doch noch im selben Jahr wurde er zum Militärdienst berufen und diente als Soldat im Zweiten Weltkrieg. Noch während dieser Zeit gewann er 1941 den ersten Preis des Divisionswettbewerbes „Soldaten als Künstler“. Damit verbunden war eine Woche Heimurlaub von der Front. Nach den Wirren des Krieges und seiner Rückkehr aus russischer Gefangenschaft 1949 begann er ein Studium an der Kunstgewerbeschule in Münster. Als zwei Jahre später sein Vater starb, übernahm Mazzotti den Familienbetrieb und das Atelier seines Vaters in der Bergstraße 50. In der Nachfolge des Vaters führte er zahlreiche sowohl private wie auch öffentliche Aufträge aus.
Große Erfolge: Der Kiepenkerl und weitere Wettbewerbe
Eines seiner wohl bekanntesten Werke im Stadtraum Münsters ist das Kiepenkerl-Denkmal. Angelehnt an die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Standfigur von August Schmiemann aus dem Jahre 1896, fertigte er in Zusammenarbeit mit dem Bildhauer Heinrich Ostlinning eine dem Original sehr nahe Neufassung. Er selbst beschrieb diese Arbeit als eine seiner wichtigsten und fühlte sich zutiefst von dem Lob des damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss geehrt, der das Denkmal feierlich enthüllte.
Ein persönlich für ihn bedeutendes Erlebnis war wohl die Heirat mit Ellen Winter 1957. Im Jahr darauf glänzte Mazzotti Junior durch seinen ersten Preis im Gestaltungswettbewerb für eine Skulptur zum Thema „Sparen“ der Stadtsparkasse Münster und machte es seinem Vater damit nach, der einen ähnlichen Wettbewerb seiner Zeit ebenfalls gewann. Die Figur steht heute an der Filiale in der Kanalstraße. Die goldene Ehrenmedaille der Stadt Lucca, welche er 1972 verliehen bekam, war für ihn von besonderer Bedeutung. Schließlich war dies die Heimatstadt seiner Vorfahren.
Der Familien-Nachlass
Seine letzte Arbeit im öffentlichen Raum war die Gedenktafel für den Barock-Architekten Johann Conrad Schlaun am Schloss in Münster. 2001 übergab er große Teile seines künstlerischen Nachlasses, zusammen mit dem seines Vaters dem Stadtmuseum Münster. Sieben Jahre später, am 11. Januar 2008, starb Albert Mazzotti jun. im Alter von 86 Jahren in Münster.
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