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Die sechs Werke der Barmherzigkeit nach dem Matthäus-Evangelium
waren die grundlegenden karitativen Tätigkeiten: Hungrige speisen,
Durstige tränken, Nackte kleiden, Fremde beherbergen, Kranke pflegen
und Gefangene besuchen. Diesen Werken wurde von der Kirche als siebtes
Werk die Verpflichtung zum Begraben der Toten hinzugefügt.
Der Theologe Thomas von Aquin (gest. 1274) beschreibt einen Barmherzigen
als jemanden, "dessen Herz, elend durch die Trauer über fremdes
Elend wie über eigenes Elend, angeregt wird, zur Überwindung
fremden Elends wie eigenen Elends tätig zu werden". Barmherzigkeit
ist damit zu verstehen als das "Mit-Leiden" mit einem Bedürftigen.
Auch das Wort Almosen, aus dem Griechischen abgeleitet, bedeutet Barmherzigkeit.
Ursprünglich zeigte man also mit dem Almosen, das man den Bedürftigen
gab, dass man mit ihnen litt und ihr Leid als das eigene betrachtete.
Das mittelalterliche Verständnis des Neuen Testaments ging aber
über das Geben von Almosen hinaus. Es war christliche Pflicht, jedes
Leid und Gebrechen des Mitmenschen zu lindern. Wer in seinem irdischen
Leben auch nur einer der geforderten sieben Taten nicht nachgekommen sei,
sollte der Verdammnis anheimfallen.
Die offene Armenfürsorge der mittelalterlichen Städte orientierte
sich stark am christlichen Ideal der Barmherzigkeit. Auch die Bedürftigen,
die keine Aufnahme in die städtischen Armenhäuser gefunden hatten,
sollten Brot, Kleidung und andere Zuwendungen erhalten. Sicher hat auch bei
dieser Form der Mildtätigkeit der Gedanke an das eigene Seelenheil
eine große Rolle gespielt.
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