Bevor eine Ausgrabung beginnt, beschäftigt sich die Archäologie mit der stadtgeschichtlichen Forschung, die wichtige Informationen zum Grabungsgelände liefert: Die schriftlichen Quellen, später auch die historische Karten bieten für das Mittelalter, vor allem aber für die Zeit ab dem 16. Jahrhundert einen oft recht präzisen Überblick. Völlig ohne Vorstellung über das zu erwartende Ergebnis beginnt eine archäologische Untersuchung in historischen Stadtkernen daher praktisch nie.
Dies gilt auch für die Grabungen auf dem Stubengassen-Parkplatz: Die Ergebnisse der historischen Forschungen hatten hier die mittelalterlichen Höfe "Nerdinck" und "Eschhues" lokalisiert. Aus einem Einkünfteverzeichnis des 14. bis 15. Jahrhunderts war der Namenswechsel des großen, nord-östlich liegenden Grundstücks von "Nerdinck" zu "Niesinck" bekannt. Vermutlich fand dieser bereits um 1250 statt, als der Erbmann und Ratsherr Johan Nießinck das Grundstück vom "Nerdinck hof" des Domkapitels pachtete. Spätestens seit 1357 befand sich eine nun "Niesinck-" oder auch "Pauli-Freiheit" genannte Häusergruppe an der Loerstraße. Daher war es nur logisch, hier auch den Vorgängerhof "Nerdinck" zu vermuten.
Das "Eschhues" wird zum ersten Mal 1309 erwähnt, als ein Anwesen an der Hundestiege den Erbzins ("Wortgeld") an das "Eschhues" bezahlt. Das Grundstück ist spätestens seit dem beginnenden 15. Jahrhundert an münstersche Erbmänner verlehnt, bis 1433 an Brunsten Clevorn zu Alverskirchen, später an seine Erben, ab 1446 an Arnd Bischopink. Sein Nachfahr, Eberhard Bischopinck zu Geist, wiederum überlässt das Grundstück 1613 dem Klarissenorden zum Bau seines Klosters. Das spätmittelalterliche "Eschhues" muss deshalb im südlichen Zipfel zwischen Loerstraße und Stubengasse gelegen haben
Im späten Mittelalter existierten auf dem Grabungsareal also zwei größere Gebäudekomplexe: die "Niesinck-Freiheit" im Nordosten und das "Eschhues" im Süden. Es stellte sich den Archäologen damit die Frage, wie alt diese beiden Hausstätten waren. Urkunden und schriftliche Aufzeichnungen zur Frühgeschichte Münsters sind nur wenige überliefert: 1121 wurde bei der Eroberung der Stadt durch Herzog Lothar von Süpplingenburg nicht nur die Domburg durch einen Großbrand vernichtet, sondern vermutlich auch das ältere Bistumsarchiv. Danach entstandene Schriftquellen sind in großer Zahl von den Täufern zwischen 1534 und 1535 verbrannt worden. Vieles kann somit nur noch aus wesentlich jüngeren Quellen rückgeschlossen werden.
Die Höfe "Nerdinck" und "Eschhues" waren – ähnlich wie die in karolingische Zeit datierten Höfe "Strunkinchus", "Bispinghof" und "Brockhof" – im späteren Mittelalter in die Verwaltung der kirchlichen Grundherrschaft eingebunden. Da das Wortgeld von verpachteten Parzellen beider Höfe noch im späten Mittelalter teils dem Bischof, teils dem Domkapitel zustand, lässt sich eine nachträgliche Aufteilung der Höfe auf diese beiden geistlichen Grundherren erschließen. Somit müssen die Höfe vor 1050, dem rekonstruierten Datum der Teilung des kirchlichen Besitzes zwischen Bischof und Domkapitel, entstanden sein. Damit gehörten sie vermutlich zur Gründungsausstattung des Bistums am Ende des 8. Jahrhunderts.
Joseph Prinz, der in den 1960er-Jahren intensiv die Frühzeit Münsters erforschte, hat die Geschichte der beiden Höfe rekonstruiert. Zu ihrer Lokalisierung diente ihm der im Alerdinckplan zu erkennende, rechtwinklig abknickende Wassergraben. Diesen deutete er als den Rest einer umgebenden Gräfte, innerhalb derer der Hof "Nerdinck" gelegen haben soll. Das Haus "Eschhues" vermutete er direkt südlich anschließend auf dem Areal des späteren Klarissenklosters. Mit dieser Interpretation galten Standort und Datierung der Höfe "Nerdinck" und "Eschhues" in der Stadtgeschichtsforschung als zweifelsfrei geklärt. Die im Boden zutage tretende Geschichte hatte jedoch mit dem aus den Schriftquellen erschlossenen Verlauf nicht mehr viel zu tun.
Die Änderungen der Topographie nach dem Zweiten Weltkrieg hatten für die archäologische Untersuchung natürlich Konsequenzen: Die im Alerdinck-Plan von 1636 abgebildete Straßenrandbebauung von Stubengasse und Loerstraße liegt heute außerhalb des Parkplatzareals und konnte daher nicht untersucht werden. Dies trifft auch für die gesamte nordöstliche Ecke des ehemals dreieckigen Stadtquartiers zu. Hier stand der Kern des 1745 von Johann Conrad Schlaun begonnenen Clemenshospitals, westlich und südlich der heute noch erhaltenen Clemenskirche. Daher konzentrierte sich die Grabung auf die beiden Höfe "Nerdinck" und "Eschhues" und auf den bei Alerdinck eingezeichneten Grabenverlauf.