Nahezu durchgehend herrscht während der gesamten Kriegszeit ein Mangel an Rohstoffen, Arbeitskräften und vor allem Lebensmitteln und Versorgungsgütern. Die Stadt organisiert mit privater Unterstützung die Versorgung der Bevölkerung. Im Januar 1915 beginnen Rationierungen von Lebensmitteln. Am 8. März werden Ausweiskarten ausgegeben, die als Berechtigungsscheine für den Erhalt von Brotmarken gelten. Die erste Ausgabe von Brotmarken erfolgt am 13. März 1915. Auf Haushaltungskarten wird die Anzahl der im Haushalt lebenden Personen vermerkt. Von 20.000 Haushalten sind 16.000 berechtigt, Brotmarken zu erhalten. Mit der Brotgetreideordnung vom 25. Januar 1915 werden die städtischen Behörden alleiniger Mehl-Großhändler.
Es entstehen ein Brot-, Kartoffel-, Fleisch- und Milchbüro, ein Lebensmittelkarten- und ein Krankenbüro, eine städtische Preisprüfungs-, eine Wucher- und eine Kreiskornstelle. Ab August 1915 erfolgt der Verkauf von Eiern und Butter an fünf städtischen Verkaufsstellen. Der Aufbau einer Eigenerzeugung beginnt. Die Gartenbauverwaltung bewirtschaftet Brachflächen und baut ein Gemüsetreibhaus. Die Rationierungen erreichen im Ersten Weltkrieg ein Ausmaß, für das es bis dahin keine historischen Vorbilder gibt.
Die landwirtschaftliche Produktion geht zurück. Da dringend Viehfutter benötigt wird, wird die Einsammlung von Küchenabfällen zur Verwertung als Viehfutter organisiert.
'Zur besseren Verwertung der Küchenabfälle, die in vielen Haushaltungen ins Feuer oder in den Mülleimer wandern, hat die Stadtverwaltung ihre regelmäßige Abholung eingeleitet. Von etwa 2.000 Haushaltungen holen täglich einige 30 Viehhalter, besonders kleinere Landwirte aus dem Außenbezirke des Stadtkreises, die Abfälle.'
'Weil genügend Futterstoffe fehlen und Brotgetreide und Kartoffeln vor dem Verfüttern bewahrt bleiben müssen, sollen im Deutschen Reiche etwa 6 Millionen Schweine geschlachtet und zu Dauerware verarbeitet werden.'
'Zur Besserung der Lebensmittelversorgung läßt der Magistrat im Stadthafen eine Schiffsladung gelber Steckrüben an Selbstverbraucher für 3,25 Mark den Zentner verkaufen.'
'Der aus hiesigen Gärtnern und Landwirten gebildete ,Ausschuß für Kriegsgemüsebau’ beriet unter dem Vorsitz des Oberbürgermeisters über die Maßnahmen, einen vermehrten Anbau von Gemüse in unserem Stadtkreise einzuleiten und durchzuführen.'
Anfang März 1915 regelt der Magistrat der Stadt Münster die Brotversorgung neu. Über Berechtigungsscheine erhalten die Haushalte Brotmarken. Es werden vier verschieden große, aus Blech gestanzte, kreisförmige Brotmarken ausgegeben, die die Übegabe von 2.500, 1250, 250 oder 25 Gramm Brot oder einer unterschiedlichen Menge Mehl ermöglichen.
'Durch Bekanntmachung regelte der Magistrat die Brotversorgung in der Weise, daß zwecks genauer Feststellung des Verbrauches und zur Verhütung von Umgehungen Brotmarken ausgegeben werden, die in Zukunft allein zur Abgabe und Entnahme von Brot und Mehl berechtigen.'
'Wegen der Knappheit und Preissteigerung der Kartoffeln hat der Magistrat für die Bürgerschaft Kartoffeln angekauft, die am Stadthafen an Selbstverbraucher für 4,70 Mark der Zentner abgegeben werden.'
'Infolge der Einberufung zahlreicher Schaffner sind auch auf der hiesigen Straßenbahn weibliche Hilfskräfte eingestellt.'
'Die gesteigerte Lebensmittelzufuhr für die zahlreichen Truppen der hiesigen Garnison, für die Proviantläger der Heeresverwaltung und für die bürgerliche Bevölkerung macht auch eine stärkere Benutzung unserer Hafenanlagen bemerkbar. Das große städtische Hafenbecken ist zur Zeit mit 35 Schiffen belegt, der höchsten seit der Hafeneröffnung 1898 erreichten Zahl.'
'Viele ebenso unvorsichtige wie übertreibende Klageweiber scheuen sich nicht, ihren von tausend schlimmeren Sorgen umgebenen Männern ins Feld Jammerbriefe über die Lebensmittelnot im Inlande zu schreiben. Die briefliche Mitteilung ist an sich falsch; hier herrscht keine Lebensmittelnot; die Rationierung des Brotes auf ½ Pfund täglich für jeden Kopf ist nur eine, allerdings notwendige Vorsichtsmaßregel.'
'Der Magistrat hat alle Haushalte, deren Kartoffelvorrat nicht bis zur neuen Ernte reicht, aufgefordert, ihren Bedarf bis zum 3. Mai bei der Stadtverwaltung anzumelden, damit sie von ihr Kartoffeln beziehen.'
'Zur Beratung und Ausbildung der Hausfrauen in der sich immer mehr verändernden Kriegsernährung hat die Hilfs- und Beratungsstelle der vereinigten Frauenvereine im Stadtweinhaus eine Auskunftsstelle für hauswirtschaftliche Fragen und in der Schulküche des Technischen Seminars, Schützenstraße 55, Kochschulabende eingerichtet.'
'Gegenüber den zahlreichen Anträgen auf Erstattung verlorengegangener Brotmarken erklärte der Magistrat in den Zeitungen, daß diesen grundsätzlich nicht ohne weiteres entsprochen werden könne, weil ihm jede Kontrolle über die Richtigkeit dieser zumeist falschen Angaben fehle.'
'Unter Berufung auf die Steigerung der Erzeugungskosten und auf die Nachfrage aus dem Industriebezirk hat der Verein zur Versorgung der Stadt Münster mit Vollmilch grundsätzlich eine Erhöhung des Milchpreises beschlossen.'
'Dieser erste städtische Gemüsemarkt hatte sehr großen Zulauf. Bei den allgemeinen Klagen der Hausfrauen über die Schwierigkeiten, Gemüse zu beschaffen und zu bezahlen, bedeutete er eine äußerst wertvolle Kriegsmaßnahme, über die bei der ganzen Bürgerschaft Freude und Befriedigung herrschte.'
'Nachdem wochen- und monatelang der private Kartoffelverkauf fast völlig stockte [...], ist jetzt auf einmal das Angebot an alten Kartoffeln überall größer. Offenbar sind vielfach alte Bestände zur künstlichen Herbeiführung starker Nachfrage und damit hoher Preise zurückgehalten worden. Wegen der bevorstehenden neuen Ernte der Frühkartoffeln wird die alte Ernte schnell in so großen Massen auf den Markt geworfen, daß die Preise plötzlich niedriger sind als sonst in Friedenszeiten!'
Schon im Januar 1915 beginnen Rationierungen von Lebensmitteln. Seit 8. März werden Ausweiskarten, die als Berechtigungsscheine für den Erhalt von Brotmarken gelten, und Haushaltungskarten ausgegeben, auf denen die Anzahl der im Haushalt lebenden Personen vermerkt waren. Die erste Ausgabe von Brotmarken erfolgt am 13. März 1915, die zwei Wochen gültig sind. Vom 8. bis 21. Oktober 1915 sind 88.397 Personen in Münster versorgungsberechtigt. Mehrere Volkszählungen und Personenbestandsaufnahmen dienen der Ermittlun der Zahl der Berechtigten.
'Auch der Verkauf von Bezugsscheinen für städtischen Speck, Schmalz und Reis führte an der Abgabestelle im Rathaus zu großen Ansammlungen und starkem Gedränge. Vielfach hört man den Wunsch, die Stadtverwaltung möchte die ganze Lebensmittelversorgung in die Hand nehmen.'
'Die Pensionäre und Rentenempfänger forderte der Regierungspräsident zur Teilnahme an der nationalen Arbeit, zur Erntehilfe, auf.'
Wegen der Preiskontrollen für Lebensmittel entwickelt sich ein florierender Schwarzmarkt für Mangelprodukte, darunter Fleisch, Butter und Gemüse. Im Juli 1915 kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen um die Preise für Butter ('Butterkrieg') zwischen Händlern aus dem Umland und erbitterten Bürgern, die sich weigern, die Höchstpreise zu zahlen.
'Auf dem Wochenmarkt gingen in der letzten Zeit die Butterpreise stetig in die Höhe. Infolge der Klagen über die unberechtigte Steigerung der Preise bis zu 1,90 Mark ließ der Magistrat vormittags an die Butterverkäufer unter dem Bogen folgendes Schreiben verteilen:[…] Ein Preis von 1,50 Mark ist nach landwirtschaftlichen Gutachten vollkommen ausreichend. Wir ersuchen Sie daher ergebenst, mit dem Butterpreise auf 1,50 Mk. für das Pfund herunterzugehen! […] Diese Mitteilung wurde schnell auch den Käufern bekannt. Weil sich aber die Verkäufer zum allergrößten Teile an das Ersuchen nicht störten, sondern 1,75 Mark, 1,80 Mark, sogar 1,90 Mark für das Pfund Butter verlangten, kam es zu erregten Auseinandersetzungen, zu Schimpfereien und Drängereien. Der Käufer und der Händler bemächtigte sich eine allgemeine heftige Erregung, die durch allerlei Äußerungen der Verkäufer wesentlich geschürt wurde. […] Dieser 'Butterkrieg' endete nur bei ganz wenigen einsichtsvollen Händlern mit dem Verkaufe zu dem vorgeschlagenen Preise von 1,50 Mark.'
'Die steigenden Schwierigkeiten der Haushaltsführung, die sprunghaft sich verändernden Verhältnisse im wirtschaftlichen Leben haben hier zur Gründung eines Hausfrauenvereins geführt.'
'Der städtische Gemüsemarkt auf dem Syndikatplatz erfreut sich größter Beliebtheit und stärksten Besuches. Die Ware ist ausgezeichnet, billig und in großen Mengen vorrätig. Der Ruf unseres Gemüsemarktes hat sich schnell verbreitet und in einer Reihe von Städten bereits Nachahmung gefunden, wozu der Kommandierende General in einem Rundschreiben aufgefordert hat.'
'Mit anderen Gefühlen als in das erste Kriegsjahr begannen viele Deutsche das zweite. Zu den veränderten Urteilen über die Zustände im Innern trägt allerorten der Kriegswucher für Lebensmittel bei, der von den Verkäufern bei dem Erzeuger, der Landwirtschaft, von dieser beim Zwischenhandel, vom Großhändler beim Kleinhändler und umgekehrt von den Verbrauchern aber nicht selten bei allen Vorgenannten gesucht wird.'
Die Lebensmittelnot ist so groß, dass ab Ende 1915 Kinder und Jugendliche aufgefordert werden, Pilze, Beeren, Obstkerne, Bucheckern und andere öl- und fetthaltige Früchte zu sammeln. Der volkswirtschaftlicher Gesamtwert dieser Sammelaktionen ist jedoch gering.
'Zum Ersatz von Speiseöl wurde das Einsammeln von Bucheneckern, dessen Öl als Nahrungsmittel verwendet wird, empfohlen.'
'Um der weiteren Verwahrlosung der jetzt zumeist ohne die väterliche Zucht aufwachsenden Jugend zu steuern, verordnete das Generalkommando, daß Personen unter 16 Jahren keinen Tabak einkaufen oder in der Öffentlichkeit rauchen, keinen Alkohol jeder Art einkaufen oder in der Öffentlichkeit genießen, ferner ohne Gegenwart der Eltern oder sonstiger Aufsichtspersonen in Kaffeehäusern, Konditoreien u. ä., in Lichtspiel- oder Spezialitäten-Theatern nicht verweilen dürfen.'