Die politische Stimmung ist Anfang 1918 geprägt vom Wunsch nach baldigem Frieden. Befürwortet wird jedoch weiterhin nur ein Friedensschluss auf Grundlage eines militärischen Sieges.
Der kommandierende General von Gayl warnt vor dem Plane unserer im Felde erfolglosen Feinde, im Innern Deutschlands Unfrieden zu stiften und fordert, der freudige, ungezähmte Siegeswille müsse bleiben. (Chronik, 318/19)
Aber sowohl die militärische Entwicklung als auch der rasche Niedergang im Innern sind nicht mehr aufzuhalten.
'Die Feier des Geburtstages Seiner Majestät des Kaisers wurde am Vorabend durch einen Zapfenstreich eingeleitet. Er ging von der festlich geschmückten Ägidiikaserne unter rauschender Musik mit Fackeln zum Hotel Fürstenhof. Dort gab es einen unliebsamen Zwischenfall: In dem Augenblick, als Exzellenz von Gayl auf dem Balkon erschien und seine Ansprache halten wollte, wurde die lautlose Stille durch den lauten Zwischenruf eines Störenfrieds unterbrochen: 'Die Marmelade ist jetzt ausverkauft.' Alles lachte oder sah Revolutionsgespenster. Die Weihestimmung war vorbei!'
'Am 'Friedensbittage', dem Feste Peter und Paul, gestaltete sich, noch stärker als in den Vorjahren, die Münstersche Wallfahrt nach Telgte zu einer großen Friedensprozession.'
'Unter schönster Sonne fand die Große Prozession in althergebrachter Weise statt.'
'Zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten, die sich als welthistorische Begleiterscheinung aller langwierigen Kriege auch in diesem Völkerringen bei allen Parteien zeigen, veranstaltete im Verein mit den übrigen berufenen Stellen die Landesversicherungsanstalt Westfalen im hiesigen Startverordnetensitzungssaale eine Wanderausstellung.'
Der vierte Kriegswinter zehrt an der Substanz, Anfang März 1918 ist eine erhebliche Steigerung von Tuberkulosefällen zu verzeichnen. Die Todesfälle liegen um 50% über der Zahl von 1913.
'Die Zahl der Lungenkranken – Husten und Katarrh gehen bei der Unterernährung schnell zur Tuberkulose über – hat hier bereits die uns 'gesetzlich zustehende' Gesamtzahl aller mit Nahrungsmittelzulagen zu beliefernden Kranken erreicht.'
'Im hiesigen Frauenbundhause hielten die Vereine des westfälischen Bezirksverbandes gegen öffentliche Unsittlichkeit gemeinsam mit den Nachbarvereinen Rheinlands und Hannovers ihre zweite Kriegstagung ab. Im Weinhause war eine abschreckende Ausstellung über Geschlechtskrankheiten zu sehen. Was an Erzählungen über unsittliche Zustände hier, besonders beim Militär, auf Wahrheit beruht, ist schwer festzustellen. Im Volksmunde heißt der 'Strich' am Servatiiplatz in Anspielung an den kriegsbekannten Chemin de dames Damenweg.'
'Im Tode vereint wurden die Eheleute Georg Alberternst und Antoinette Kersting Alberternst, die innerhalb einer Viertelstunde an Grippe bzw. Schlaganfall starben.'
'In der Nacht überraschte der Nachtschutzmann Theodor Overmann in einem Geschäft an der Mecklenbecker Straße einen Einbrecher. [...] Der Einbrecher ist einer der zahlreichen Deserteure.'
'In zunehmendem Umfange müssen in eine besondere Strafkompagnie auf Haus Spital Deserteure und andere unsichere Heeresangehörige gesteckt werden. Das Garnisonkommando ordnet von Zeit zu Zeit Streifen auf Herumtreiber in Gassen und Winkel der Altstadt an. Zahlreiche Deserteure sollen sich in den Büschen an der Loddenheide und in Gremmendorf aufhalten – alles Zeichen wachsender Kriegsunlust.'
'Die 'Spanische Krankheit' trat, nachdem sie im Sommer bereits geherrscht hatte, im Herbst so heftig und allgemein auf, daß der größte Teil der Bürgerschaft mehr oder minder stark grippekrank ist. Die Hospitäler sind überfüllt. Täglich müssen 8-10 Kranke am Clemenshospital abgewiesen werden. Zahlreich sind Lungenentzündungen, häufig der Tod die Folge der Grippe.'
'Im ganzen Reich tritt die Grippe auf, vielfach mit Rippenfell- und Lungenentzündung, häufig mit tödlichem Ausgang. Die Krankenwagen fahren hier ununterbrochen. Die Hospitäler sind überfüllt, die Ärzte und Pfleger überbeschäftigt. Jedes Haus, jede Familie hat Grippekranke. Manche Bauernhöfe, Häuser, Büros, Geschäfte sind gänzlich geschlossen, weil alle Beteiligten krank sind. Die Postbestellung mußte auf zwei Botengänge täglich beschränkt werden. Man spricht von einer 'Lungenpest' und erzählt sich, die Toten würden schwarz.'
'Die Grippe wütet zur Zeit fast in der ganzen Welt.
Weil wohl keine Zeit im Kriege so ernst gewesen sei wie die gegenwärtige und weil entscheidende Tage uns bevorständen, ließ Bischof Johannes heute besondere Betstunden abhalten, damit Gott bald das Ende des Krieges herbeiführe und uns eine Frieden schenke, der die Freiheit und Wohlfahrt des Vaterlandes verbürge.'
'Die Zahl der an Grippe erkrankten Schulkinder beträgt über 3.000. Das katholische Lyzeum mußte bis auf weiteres geschlossen werden.'